Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
Kassetteneinsätzen, wobei drei etwas hellere die richtige Konfiguration ausmachten. Es war, als folge sie einem Irrlicht, immer weiter in den gefährlichen Sumpf von Bed-Stuy, immer tiefer in einen träumerischen, schlafwandlerischen Zustand hinein.
Ein kleiner, aber wachsamer Teil von Julias Verstand war nicht gerade begeistert davon, wie weit sie nach Bed-Stuy hineingeriet. Reihenhäuser wichen brachliegenden Grundstücken, illegalen Werkstätten, in denen geklaute Autos ausgeschlachtet wurden, und Bauruinen von Mietshäusern, die durch die Rezession nie fertiggestellt worden waren. In einer Stunde würde es dunkel werden, und sie konnte sich nicht länger einreden, dass die mit Brettern vernagelten Häuser gerade von Grund auf renoviert wurden. Das wurden sie nicht – es waren Crack-Häuser. Doch nicht mehr lange, und sie würde die Tür finden, die mit Pouncys Anfangskonfiguration korrespondierte, und dann wäre die Serie zu Ende – oder besser: am Anfang –, und sie könnte umdrehen und nach Park Slope zurückkehren.
Und tatsächlich: Da war es, ein Stück weit die Throop Avenue hinunter. Es war kein schönes Haus, aber auch kein Crack-Haus. Es war eine zweistöckige, limonengrüne Bruchbude mit einer antiken Hasenohren-Antenne auf dem Dach und einer grämlichen Bande von Aluminium-Mülleimern auf dem rissigen Betonboden des Vorplatzes. Die Haustür bestand aus acht Glasscheiben. Eine, links oben in der Ecke, war ausgeschlagen und durch Plastikfolie ersetzt worden, was die Serie vervollständigte.
Das war’s. Finito. Der Anblick dieses letzten Musters, dem Anfangsstadium, erlöste Julia von dem Zauber. Die Traumlogik war abgelaufen. Sie blickte sich um wie eine erwachende Schlafwandlerin und fragte sich, wo zum Teufel sie gelandet war. Eine Computerstimme laberte ihr noch immer irgendetwas über Hofstadter ins Ohr. Erschöpfung schwappte über sie hinweg wie eine Welle. Sie musste kilometerweit gewandert sein, und die Sonne ging unter. Sie setzte sich auf Stufe vor der Haustür.
Sie musste irgendwie nach Hause kommen. Ein Taxi oder ein Mietwagen würde teuer werden, aber ausgeraubt oder überfallen zu werden würde sie mehr kosten. Außerdem hatte sie das Gefühl, dass sie tot umfallen würde, wenn sie auch nur einen Schritt weitergehen müsste. Sie schloss die FTB -App, zog die Ohrhörer heraus, und die Stimmen schwiegen. Stille. Realität.
Sie merkte, wie hinter ihr die Tür geöffnet wurde, stand auf und hob beschwichtigend die Hand – okay, ich gehe ja schon. Ein Vortrag über zelluläre Automaten würde wahrscheinlich nicht als Entschuldigung dafür durchgehen, dass sie die Besitzer eines limonengrünen Scheißhauses an der Throop Avenue belästigt hatte.
Doch der Typ auf der Schwelle jagte sie nicht weg. Er war ein Weißer, etwas eulenhaft, um die dreißig, in einem Vintage-Blazer, Jeans und einem spontan-nervigen Strohhut auf dem Kopf.
Er stand nur da und musterte sie eingehend. Hinter ihm im Haus sah sie andere Leute herumsitzen und -stehen, die sich unterhielten, ins Leere starrten und irgendetwas mit ihren Händen taten. Doch sie hielten nichts in den Händen. Ein seltsames, säuregrünes Licht blitzte in der Tür auf, von wo, konnte sie nicht erkennen, als würde dort drinnen etwas geschweißt. Jemand spendete ironisch Beifall. Ein unverkennbarer Geruch lag in der Luft, so intensiv, dass er einem fast den Atem raubte.
Julia kauerte sich auf den Bürgersteig wie ein kleines Kind, schlug die Hände vor das Gesicht und lachte und weinte zugleich. Sie hatte das Gefühl, ohnmächtig zu werden, sich übergeben zu müssen oder durchzudrehen. Sie hatte versucht, von dem Desaster Abstand zu gewinnen, davor wegzulaufen, ja, das hatte sie ehrlich versucht. Sie hatte die Magie an den Nagel gehängt und ihrer Leidenschaft für immer abgeschworen. Sie war weitergezogen, ohne eine Nachsendeadresse zu hinterlassen. Doch das hatte nicht ausgereicht. Die Magie hatte sie gesucht. Sie war nicht weit genug oder nicht schnell genug gelaufen, oder sie hatte sich nicht gut genug versteckt, und das Desaster hatte sie verfolgt und aufgespürt. Es würde sie nicht gehen lassen.
Alles würde wieder von vorn anfangen.
Kapitel 16
B ei allem, was folgte, die ganze Zeit, während er beinahe von einem Vaporetto zerquirlt worden wäre, als er zum Ufer schwamm und sich über einige uralte Stufen aus dem Wasser zog (der Canal Grande war mit zahlreichen Ausstiegsmöglichkeiten für diejenigen ausgestattet, die
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