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Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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würde sie nach Stanford gehen, ein neues Leben beginnen und real existierende, sichtbare, analoge Freunde finden. Sie würde Tabula rasa machen.
    Doch zunächst würde sie die Zügel schießen lassen. Und so befand sich Julia eines späten Nachmittags am Wochenende auf einem Spaziergang durch Prospect Heights in Richtung Bed-Stuy. Neuerdings legte sie regelrechte Gewaltmärsche zurück, weil sie sich in irgendeiner Form bewegen musste und das Tageslicht stimmungsaufhellend wirkte. Dabei konnte sie die Free Traders mitnehmen, und zwar nicht nur als geisterhafte Präsenzen in ihrem Kopf, sondern als tatsächliche Präsenzen auf ihrem Smartphone, für das Falstaff eine clevere kleine App entwickelt hatte. (Keine iPhones, bah, nur Android. Die Free Traders waren wahnsinnige Open-Source-Snobs.) Wie ein schützender, unsichtbarer Panzer legte sich auf ihren Streifzügen die virtuelle Kameradschaft der anderen um sie.
    Julia schrieb während des Gehens. Sie hatte diese Fähigkeit bis zur Perfektion entwickelt und vermied mit Hilfe ihres peripheren Sehens Hydranten, Hundeminen und Passanten. Damit Julia vernünftig funktionierte, schien es unerlässlich zu sein, dass sie sich einen Dreck darum scherte, wie merkwürdig sie auf andere wirkte. An diesem Tag lauschte sie mit halbem Ohr dem TTS -Sprachsyntheziser, der ihr mit künstlicher Stimme einen Text vortrug, während Pouncy und Aschmodai über die Gültigkeit von Hofstadters seltsamer Schleifentheorie in der Kognition, abgeleitet von Gödelnummern, diskutierten, oder so was in der Richtung.
    Die andere Hälfte ihres Bewusstseins, ob hofstadterisch oder nicht, war damit beschäftigt, auf die Türen der Häuser zu achten, an denen sie vorbeiging. Besondere Aufmerksamkeit widmete sie dabei ihrer Aufteilung in quadratische und rechteckige Elemente verschiedener Größen. Die meisten von ihnen waren gleich konstruiert. Auf den ersten Blick war das keine überwältigend interessante Beschäftigung; tatsächlich hätte sie anderen nur mit Mühe erklären können, warum sie das tat. Die Türen hatten sie eben plötzlich an ein Serie-Spiel erinnert, das sie neulich gespielt hatten.
    Pouncy hatte ein geometrisches Puzzle präsentiert, das akribisch im ASCII -Code verschlüsselt war und aus einfachen Quadratmustern auf einem kleinen Raster bestand. Wie sich herausstellte – Falstaff hatte das Rätsel geknackt –, konnten die Muster als sukzessive Stadien eines sehr simplen, zellulären Automaten begriffen werden, so simpel, dass sie die Regeln im Kopf formulieren konnten, nachdem sie die grundlegende Funktionsweise kannten. Jedenfalls konnte es Falstaff.
    Das Merkwürdige war, so stellte Julia auf ihrem Weg fest, dass sie Sequenzen aus der Serie in den verschiedenen Konfigurationen der Türen erkennen konnte, an denen sie entlangging. Es schien, als könne sie stets das nächste Stadium finden, wenn sie nur lange genug weiterlief.
    Es war nichts weiter als verrückte Gehirnakrobatik. Manchmal sah sie das Muster im Holz, manchmal im Glas, einmal in einem schmiedeeisernen Tor. Einmal entdeckte sie es in den Holzbalken eines zugenagelten Fensters, was eigentlich nicht galt, aber es war schon seltsam, wie oft sie es fand. Sie setzte sich immer engere Grenzen: Wenn sie weiter als einen Block gehen musste, um den nächsten Schritt in der Serie zu finden, würde sie umkehren, dann musste sie es innerhalb eines Blocks und auf derselben Straßenseite sehen und so weiter. Doch jedes Mal tauchte das Muster rechtzeitig auf. Sie war sich nicht sicher, ob das eine signifikante Entdeckung war oder nicht, doch sie hatte den Drang, auszuprobieren, wie weit sie das Spiel fortsetzen konnte. Im Geiste stellte sie sich schon vor, mit welch ätzender Ironie Pouncy über sie herziehen würde, wenn sie den anderen erzählte, was sie tat. Schneidender, säurehaltiger Sarkasmus würde sie treffen.
    Doch alles passte haargenau zusammen. Der einzige Unterschied zwischen ihrer Serie und Pouncys zellulären Automaten bestand darin, dass ihre Sequenz rückwärts lief – die Regeln wurden umgekehrt angewendet und die Serie damit zurück zu ihrem Anfang geführt. Das war noch ein Grund, warum sie weiterging: Die Serie war endlich. Es würde bald vorbei sein, wie auch immer. Einmal wandte sie sich in die verkehrte Richtung, erkannte aber dann, dass sie sich bei der Transformation geirrt hatte, und nachdem sie sie wieder in Ordnung gebracht hatte, fand sie das nächste Muster in einer alten Holztür mit

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