Fillory - Die Zauberer
hatte, wonach er suchte, keuchte er auf, und aus den Kohlen kam: ein Dämon, Funken sprühend, schwer, hundegroß und stinksauer. Mit einer Bewegung stieß Fogg ihn in Gretchens schmalen Rücken hinein. Er musste noch einmal zurückgehen und eine wild zappelnde Extremität hineinschieben. Gretchen schnappte nach Luft und ihr ganzer Körper spannte sich an, als hätte man ihr einen Eimer eiskaltes Wasser über den Kopf geschüttet. Gleich darauf wirkte sie lediglich verwirrt und warf einen Blick über die Schulter, wobei sie ihre Nacktheit vergaß und allen ihre kleinen Brüste mit den blassen Brustwarzen zeigte. Denn, wie Quentin feststellte, als er an der Reihe war, man spürte überhaupt nichts.
Jetzt erschien ihm das alles wie ein Traum, obwohl Quentin natürlich heute Morgen gleich nach dem Aufwachen seinen Rücken im Spiegel betrachtet hatte. Und da war er, ein riesiger, fünfzackiger Stern mit dicken schwarzen Umrissen, wund, rot und ein wenig seitlich links platziert. Er nahm an, dass sein Herz mehr oder weniger im Mittelpunkt lag. Einige Partien des Sterns waren eng mit feiner, schnörkeliger Schrift, kleinen Sternen, Halbmonden und weniger eindeutigen Zeichen bedeckt. Er sah weniger so aus, als sei er tätowiert worden, sondern eher wie notariell beglaubigt oder abgestempelt wie ein Pass. Müde, von Schmerzen geplagt und verkatert wie er war, blickte er das Tattoo lächelnd im Spiegel an. Der Gesamteffekt war absolut bizarr.
Als alles vorüber war, schlurften sie aus dem Hörsaal heraus in den alten Flur. Man hörte Stimmengewirr und hier und da ein paar Freudenrufe, aber das war es im Grunde genommen, mehr gab es nicht. Wenn sie gestern Abend noch nicht ganz mit Brakebills abgeschlossen hatten, dann gewiss jetzt. Sie konnten überall hingehen und alles tun, was sie wollten. Das war’s: der große Abschied.
Alice und Quentin schmuggelten sich durch eine Seitentür und wanderten hinüber zu einer riesigen Eiche mit ausladenden Ästen. Dabei schwangen sie ihre ineinander verschränkten Hände hin und her. Es war absolut windstill. Die Sonne schien viel zu hell. Quentins Kopf dröhnte. Seine Eltern waren in der Nähe und er würde gleich einmal nach ihnen sehen müssen. Oder vielleicht würden sie auch nach ihm sehen, einmal im Leben. Heute Abend würden Partys stattfinden, wie er annahm, aber er fühlte sich seltsam abgefeiert. Er hatte keine Lust, seine Sachen zu packen, er hatte keine Lust, nach Chesterton zurückzukehren, oder nach Brooklyn, oder überhaupt irgendwohin. Er hatte keine Lust zu bleiben und er hatte keine Lust zu gehen. Er warf Alice einen verstohlenen Seitenblick zu. Sie sah kränklich aus. Er suchte im Geiste nach der Liebe, die er normalerweise für sie empfand, und konnte sie seltsamerweise nicht finden. Was er sich in diesem Moment am meisten wünschte, war, allein zu sein. Aber dieser Wunsch würde nicht in Erfüllung gehen.
Es waren schwarze Gedanken, aber er konnte sie nicht abwehren, die Gehirnblutung nicht stillen. Hier stand er, ein frischgebackener, gebundener und akkreditierter Zauberer. Er hatte gelernt, Magie gezielt anzuwenden, er hatte das Ungeheuer erblickt und überlebt, war auf seinen eigenen Schwingen bis in die Antarktis geflogen und nackt durch die schiere Kraft seines Willens wieder zurückgekehrt. Er trug einen eisernen Dämon im Rücken. Wer hätte gedacht, dass er all das tun, haben und sein könnte, ohne das Geringste zu fühlen? Was fehlte ihm? Oder lag es an ihm selbst? Wenn er nicht einmal hier glücklich war, trug er dann den Makel? Sobald er das Glück erhaschte, zerstreute es sich und tauchte anderswo wieder auf. Wie Fillory, wie alles Gute, hielt es nicht an. Wie furchtbar, das zu wissen.
Ich habe alles bekommen, was mein Herz begehrte, dachte er, und da fingen die Probleme an.
»Unser ganzes Leben liegt vor uns, und ich wünsche mir nichts sehnlicher als ein Nickerchen zu machen!«, sagte Alice.
Hinter ihnen ertönte ein leises Geräusch. Wie eine platzende Seifenblase, ein Einatmen, ein Flügelschlag.
Quentin drehte sich um, und da standen sie alle. Josh mit einem franseligen blonden Bart, mit dem er mehr denn je einem genialen, lächelnden Abt glich. Janet hatte sich die Nase und wahrscheinlich noch andere Körperteile piercen lassen. Eliot trug eine Sonnenbrille, was er in Brakebills niemals getan hatte, und ein Hemd von erstaunlicher, unbeschreiblicher Perfektion. Es war noch jemand bei ihnen, ein Fremder: ein ernster, etwas älterer Mann,
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