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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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hochgewachsen, dunkler Teint, gelehrt attraktiv.
    »Packt eure Sachen zusammen«, sagte Josh. Er grinste noch breiter und spreizte die Arme wie ein Prophet. »Wir holen euch hier raus.«

Buch II

MANHATTAN
    Zwei Monate später war es November. Kein Brakebills-November, sondern der echte – ständig musste sich Quentin bewusst machen, dass sie jetzt in der regulären Zeit der wirklichen Welt lebten. Er lehnte seine Schläfe an die kalte Fensterscheibe des Apartments. Tief unten konnte er einen ordentlichen, kleinen rechteckigen Park mit roten und braunen Bäumen erkennen. Das Gras war abgetreten und von Erdflecken durchlöchert wie ein alter Teppich, bei dem hier und da die Kanevas-Rückseite durch die gewebte Vorderseite schimmert.
    Quentin und Alice lagen rücklings auf einem breiten, bunt gestreiften Bettsofa am Fenster. Sie hielten sich locker an den Händen und sahen aus, als wären sie gerade mit einem Floß angekommen, das die Wellen sanft und träge an den Strand einer stillen, verlassenen Insel gespült hatten. Und so fühlten sie sich auch. Das Licht war nicht eingeschaltet, aber milchweiße Nachmittagssonnenstrahlen fielen durch die halb geschlossenen Jalousien herein. Die Überreste eines Schachspiels nach einem lässigen, mörderischen Zug lagen auf einem nahen kleinen Tischchen.
    Die Wohnung war kahl und spärlich möbliert bis auf ein paar zusammengewürfelte Sachen vom Trödel, die sie nach Bedarf angeschafft hatten. Sie hatten das Apartment besetzt: Ein schrecklich kompliziertes magisches Arrangement hatte ihnen erlaubt, sich dieses Sahnestückchen selten benutzter Lower-East-Side-Immobilie anzueignen, während seine rechtmäßigen Besitzer anderweitig beschäftigt waren.
    Ein tiefes, dichtes Schweigen hing in der stillen Luft wie steife weiße Laken auf einer Wäscheleine. Keiner sagte etwas, keiner hatte seit ungefähr einer Stunde etwas gesagt, und keiner hatte Lust, etwas zu sagen. Sie waren in Lotosland.
    »Wie spät ist es?«, fragte Alice schließlich.
    »Zwei. Nach zwei.« Quentin drehte den Kopf, um auf die Uhr zu sehen. »Zwei.«
    Der Türsummer ertönte. Keiner von beiden regte sich.
    »Wahrscheinlich Eliot«, sagte Quentin.
    »Gehst du früh rüber?«
    »Ja. Vielleicht.«
    »Du hast mir nicht gesagt, dass du früh rübergehst.«
    Langsam setzte sich Quentin auf, nur mit Hilfe seiner Bauchmuskulatur, während er zugleich den Arm unter Alice’ Kopf hervorzog.
    »Vielleicht gehe ich früh.«
    Er machte Eliot die Tür auf. Sie wollten auf ihre Party gehen.
    Der Abschluss war erst zwei Monate her, und schon schien Brakebills einem anderen Leben anzugehören – eines von vielen, dachte Quentin und überlegte blasiert, dass er im Alter von einundzwanzig bereits sein drittes oder viertes Leben lebte.
    Als er Brakebills verlassen hatte, um nach New York zu gehen, hatte Quentin erwartet, von der schieren kühnen Realität überwältigt und bezaubert zu werden: Von der juwelenbesetzten Chrysalide Brakebills gelangte er in die große, verwirrende, schmutzige Stadt, wo echte Leute echte Leben in der echten Welt führten und echte Arbeit für echtes Geld leisteten. Und ein paar Wochen lang hatten sich seine Erwartungen erfüllt. Das hier war definitiv die Wirklichkeit, wenn man mit »wirklich« nicht-magisch, vom Geld besessen und erstaunlich schmutzig meinte. Quentin hatte völlig vergessen, was es bedeutete, ununterbrochen in der profanen Welt zu leben. Nichts war verzaubert: Alles war, was es war, und nichts darüber hinaus. Jede erdenkliche Oberfläche war mit Wörtern bedeckt – Konzertplakate, Werbeflächen, Graffiti, Karten, Schilder, Warnzeichen, Parkanweisungen –, aber nichts davon bedeutete irgendetwas, jedenfalls nicht auf dieselbe Weise, wie es ein Zauber tat. In Brakebills hatte jeder Quadratzentimeter des Hauses, jeder Ziegelstein, jeder Busch und jeder Baum seit Jahrhunderten in Magie mariniert. Hier draußen in der Welt regierte die rohe, unveränderte Physik und die Profanität war epidemisch. Die Stadt glich einem Korallenriff, dessen lebende, vitale Bedeutung verblichen war und nichts als ein leerer bunter Felsen daran erinnerte. In den Augen eines Zauberers glich Manhattan einer Wüste.
    Doch ebenso wie in der Wüste konnte man einige verkümmerte, diffuse Zeichen des Lebens finden, wenn man eifrig genug danach suchte. Tatsächlich existierte in New York auch außerhalb des Kreises der Brakebills-Absolventen eine magische Kultur, wenn auch an den Immigrantenrändern der

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