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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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das brüchige Pflaster krachen und in die Kanalisation fallen, wenn er nicht die Füße vorsichtig und exakt in die Mitte jedes Pflastersteins auf dem Bürgersteig setzte.
    Wenn er allein in dem stillen, würdevollen Durcheinander ihrer Wohnung stand, quoll sein Herz vor Reue über und er hatte das Gefühl, dass sein Leben schrecklich schiefgelaufen war. Er hätte nicht ausgehen sollen. Er hätte zu Hause bei Alice bleiben sollen. Aber ihm wäre so langweilig gewesen, wenn er geblieben wäre! Und sie hätte sich gelangweilt, wenn sie mit ausgegangen wäre! Was sollten sie tun? So konnten sie nicht weitermachen. Er war so dankbar, dass sie die Exzesse nicht miterlebt hatte, in die er sich kopfüber hineingestürzt hatte, die Drogen, die er genommen, das manische Flirten und Fummeln, bei dem er mitgemacht hatte.
    Dann zog er seine nach Zigarettenrauch stinkenden Kleider aus, wie eine sich häutende Kröte. Alice regte sich schläfrig im Bett und setzte sich auf. Die weiße Bettdecke rutschte von ihren vollen Brüsten. Sie lehnte sich an ihn, und beide blieben wortlos mit dem Rücken an der Biegung ihres Schlittenbettes sitzen. Der Morgen graute und das Müllauto fuhr von einer Station zur nächsten die Straße entlang, mit glänzendem pneumatischen Bizeps, während es gierig fraß, was immer seine in Overalls gekleideten Wärter hineinwarfen. Es verzehrte, was die Stadt ausgespuckt hatte. In diesen Augenblicken verspürte Quentin hochmütiges Mitleid für die Müllmänner, ja, für alle Spießer und braven Bürger. Er fragte sich, was in aller Welt sie an ihrem unmagischen Leben wohl lebenswert finden mochten.
     
    Er hörte, wie Eliot ausprobierte, ob die Tür offen war, und dann nach seinem Schlüssel suchte. Eliot teilte sich mit Janet eine Wohnung in Soho, war aber so oft bei Quentin und Alice, dass es einfacher gewesen war, ihm einen Schlüssel zu geben. Quentin wanderte durch das offene Apartment und räumte halbherzig auf. Er sammelte Kondomverpackungen, Unterwäsche und vergammelndes Essen auf und warf alles in den Müll. Es war eine wunderschöne Wohnung in einer umgebauten Fabrik mit einem Fußboden aus breiten, dick versiegelten Holzdielen und Kaufhaus-Bogenfenstern, aber sie hatte schon ordentlichere Bewohner gesehen. Nachdem sie zusammengezogen waren, hatte Quentin, der selbst für den Haushalt nicht viel übrig hatte, zu seiner Überraschung festgestellt, dass Alice die schlampigere von ihnen beiden war.
    Sie zog sich ins Schlafzimmer zurück, um sich anzuziehen. Sie war noch im Nachthemd.
    »Morgen!«, sagte Eliot, obwohl es schon viel später war. Er blieb wartend in der Stahlrolltür stehen, in einem langen Mantel und einem Pullover, der einmal teuer gewesen war, bevor ihn die Motten erwischt hatten.
    »Hey«, sagte Quentin. »Ich hole nur noch eben meinen Mantel.«
    »Es ist eiskalt draußen. Kommt Alice auch mit?«
    »Nein, sieht nicht so aus. Alice?« Er rief lauter. »Alice?«
    Keine Antwort. Eliot stand schon wieder draußen auf dem Flur. Er schien in letzter Zeit nicht viel Geduld mit Alice zu haben, die schließlich seine rigorose Entschlossenheit zum Genuss nicht zu teilen schien. Quentin vermutete, dass ihr unprätentiöser Fleiß ihn in unangenehmer Weise an die Zukunft erinnerte, die er verdrängte. Quentin wusste, dass ihr Verhalten diese Wirkung auf ihn selbst hatte.
    Im Hinausgehen zögerte er, hin- und hergerissen. Wahrscheinlich war sie dankbar für ein wenig Ruhe zum Lernen.
    »Sie kommt bestimmt später nach«, sagte Quentin. In Richtung Schlafzimmer rief er: »Okay! Tschüs dann! Wir treffen uns dort!«
    Keine Antwort.
    »Tschüs, Mama!«, brüllte Eliot.
    Die Tür fiel ins Schloss.
     
    Wie alles andere, so war auch Eliot anders in New York. In Brakebills hatte er sich immer überaus reserviert und dünkelhaft gegeben. Sein persönlicher Charme und seine merkwürdige Erscheinung gemischt mit seinem Talent zur Magie hatten ihn zu etwas Besonderem gemacht. Doch seitdem Quentin ihn in Manhattan wiedergetroffen hatte, hatte sich das Gleichgewicht zwischen ihnen seltsam verschoben. Eliot hatte die Transplantation nicht unversehrt überlebt; er schwebte nicht länger schwerelos über dem Getümmel. Sein Humor war schalkhafter, bitterer und kindischer als in Quentins Erinnerung. Während Quentin älter wurde, schien er zugleich immer jünger zu werden. Er brauchte Quentin in zunehmender Weise, und das nahm er ihm übel. Er hasste es, bei irgendetwas übergangen zu werden, und er hasste es,

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