Fillory - Die Zauberer
zuvor hatte Josh, der inzwischen seinen Bart abrasiert hatte (»als wenn man sich um ein verdammtes Haustier kümmern müsste«), verkündet, er habe seine neue Freundin eingeladen, was zusätzlich Druck auf alle ausübte, sich ein bisschen zusammenzunehmen. Als die Sonne über dem Hudson unterging und die Sonnenstrahlen, die bei ihrer Durchquerung der Atmosphäre New Jerseys ein zartes Rosa angenommen hatten, in das riesige Wohnzimmer hineinfielen, als Eliot Lillet-Cocktails (Lillet-Aperitif und Champagner über einem Samthammer von Wodka) herumreichte, als Quentin winzige, süßsaure Hummerbrötchen reichte, wirkten alle plötzlich klug, lustig und gutaussehend – oder waren sie es vielleicht wirklich?
Da Josh sich geweigert hatte, die Identität seiner neuen Eroberung zu enthüllen, konnte Quentin nicht im Voraus ahnen, dass er beim Öffnen der Aufzugtüren (sie hatten die ganze Etage für sich) den Neuankömmling wiedererkennen würde: Es war das Mädchen aus Luxemburg, die gelockte Kapitänin der europäischen Mannschaft, die seiner Welters-Karriere den Todesstoß versetzt hatte. Es stellte sich heraus (sie erzählten die Geschichte abwechselnd, in einem fließenden Dialog, den sie offenbar vorher geübt hatten), dass Josh ihr an einer U-Bahn-Haltestelle zufällig begegnet war, während sie gerade versuchte, einen Verkaufsautomaten so zu behexen, dass er Geld auf ihre Dauerfahrkarte buchte. Ihr Name war Anaïs, und sie trug eine so umwerfende Schlangenlederhose, dass niemand sie fragte, was diese Hose mit dem Thema des Abends zu tun hatte. Sie hatte blonde Ringellocken und eine winzige, spitze Nase, und Josh war offensichtlich ganz vernarrt in sie. Genau wie Quentin. Er fühlte einen heißen Stich der Eifersucht.
Mit Alice redete er sowieso den ganzen Abend kaum ein Wort, weil er die ganze Zeit in die Küche rein- und wieder rausrannte und Speisen erwärmte, auffüllte und servierte. Als er schließlich die Vorspeise brachte – Schweinekoteletts bestäubt mit Bitterschokolade – war es dunkel und Richard hielt eine Rede über magische Theorie. Der Wein, das Essen, die Musik und die Kerzen trugen dazu bei, dass das, was er sagte, beinahe interessant klang.
Bei dem geheimnisvollen Fremden, der zusammen mit den anderen Physikern am Tag der Abschlussfeier erschienen war, hatte es sich natürlich um Richard gehandelt. Auch er war ein ehemaliger Physiker aus dem Jahrgang vor Eliot, Josh und Janet, und er war der Einzige von allen, der ein Leben als respektabler, professioneller Zauberer führte. Richard war groß und hatte einen dicken Kopf, dunkle Haare, breite Schultern und ein quadratisches Kinn – attraktiv, aber ein bisschen wie Frankensteins Monster. Er verhielt sich Quentin gegenüber recht freundlich – schüttelte ihm kräftig die Hand und sah ihm mit seinen großen, dunklen Augen offen ins Gesicht. In einer Unterhaltung sprach er Quentin häufig mit Namen an, wodurch dieser sich zwischenzeitlich wie bei einem Bewerbungsgespräch fühlte. Richard war bei dem Trust angestellt, der die kollektiven finanziellen Vermögenswerte der magischen Gemeinschaft verwaltete, die riesig waren. Auf eine stille Art war er praktizierender Christ, wovon es unter den Zauberern nur sehr wenige gab.
Quentin versuchte, Richard zu mögen, weil alle anderen es taten und weil es die Sache einfacher gemacht hätte. Aber er war so verdammt ernst. Er war nicht dumm, aber er hatte nicht einen Funken Humor – Witze brachten ihn aus dem Konzept, so dass die ganze Unterhaltung zum Erliegen kam, bis ihm irgendjemand, normalerweise Janet, erklärt hatte, worüber alle anderen lachten. Dann zog Richard seine dicken Vulkanier-Augenbrauen zusammen, konsterniert über die ach so menschliche Schwäche seiner Gefährten. Und Janet, die normalerweise jeden rücksichtslos niedermachte, der es wagte, irgendetwas zu ernst zu nehmen, ausgerechnet Janet bediente ihn von hinten bis vorne! Quentin ärgerte die Vorstellung, dass sie ebenso zu Richard aufblickte wie er früher zu den älteren Physikern. Er hatte das deutliche Gefühl, dass sie in Brakebills ein, zwei Mal mit Richard geschlafen hatte, ja, er hielt es sogar für möglich, dass sie hier ab und zu miteinander schliefen.
»Magie«, verkündete Richard langsam und mit hochrotem Kopf, »ist das Werkzeug des Schöpfers.« Er trank praktisch nie Alkohol und die beiden Gläser Viognier waren schon zu viel für ihn gewesen. Er blickte erst nach links, dann nach rechts, um
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