Fillory - Die Zauberer
in alles mit einbezogen zu werden. Er verbrachte zu viel Zeit, als gut für ihn war, auf dem Dach des Hauses, wo er seine Merits und weiß Gott was rauchte – es gab nicht viel, was nicht zu beschaffen war, wenn man das Geld dafür hatte, und sie hatten es. Er wurde zu dünn. Er wurde depressiv und reagierte ausfallend, wenn Quentin versuchte, ihn durch Scherze aus seinem Tief herauszureißen. Wenn er verärgert war, pflegte er neuerdings zu sagen: »Mein Gott, ein Wunder, dass ich kein Dipsomane bin«, um dann hinzuzufügen: »Halt, Moment, stimmt doch …?« Beim ersten Mal war es lustig gewesen. Irgendwie.
In Brakebills hatte Eliot zunächst nur am Wochenende, dann auch beim Abendessen Alkohol getrunken, was völlig in Ordnung war, denn alle Männer der Oberschicht tranken Alkohol zum Abendessen. Wobei natürlich nicht alle ihren Nachtisch gegen ein paar zusätzliche Gläser Wein eintauschten, wie Eliot es tat. In Manhattan, wo keine Dozenten über sie wachten und sie nicht mehr nüchtern zum Unterricht erscheinen mussten, sah man Eliot ab dem Nachmittag kaum je ohne ein Glas in der Hand. Meist war es irgendetwas relativ Harmloses wie Weißwein, Campari oder ein großes Glas stark mit Soda verdünnter Bourbon auf sehr viel Eis. Aber dennoch. Einmal, als Eliot unter einer hartnäckigen Erkältung litt, bemerkte Quentin beiläufig, er solle seine Medizin doch mal mit etwas Gesünderem einnehmen als einem Wodka Tonic.
»Ich bin krank, nicht tot«, fauchte Eliot. Damit war die Sache erledigt.
Wenigstens eines von Eliots Talenten hatte den Schulabschluss überlebt: Er war immer noch ein unermüdlicher Sucher nach obskuren und wundervollen Weinen. So schlimm war es mit seiner Sauferei noch nicht, dass er darüber seinen Snobismus vergessen hätte. Er ging zu Weinproben und löcherte Importeure und Weinhändler mit einer Leidenschaft, die er für nichts anderes aufbrachte. Alle paar Wochen, wenn er etwa ein Dutzend Flaschen aufgetrieben hatte, auf die er besonders stolz war, kündigte Eliot eine Dinnerparty an. Und für eine solche Dinnerparty machten sich Quentin und er nun bereit.
Sie arrangierten diese Partys mit einem lächerlichen Aufwand, der in keinem Verhältnis zu dem Spaß stand, den sie ihnen letztendlich bereiteten. Der Schauplatz war stets Eliots und Janets Apartment in Soho, eine weitläufige Vorkriegswohnung mit einer unwahrscheinlich großen Anzahl von Zimmern. Der ideale Schauplatz für eine französische Farce. Josh war der Küchenchef und Quentin der Sous-chef und Küchenjunge. Eliot fungierte natürlich als Sommelier. Alice’ Beitrag bestand darin, eine angemessen lange Lesepause einzulegen, um etwas essen zu können.
Janet sorgte für die Kulisse: Sie gab den Dresscode für den Abend vor, wählte die Musik aus und entwarf wunderhübsche, handgeschriebene und -illustrierte Speisekarten für das jeweilige Menü. Dazu hatte sie bisher diverse surreale und manchmal umstrittene Tafelaufsätze entworfen. Das Thema der heutigen Party war Rassenmischung, und Janet hatte versprochen – Einwände ästhetischer, moralischer und ornithologischer Art ignorierend –, Leda und den Schwan als magisch animierte Eisskulpturen zu präsentieren. Sie sollten kopulieren, bis sie schmolzen.
Wie immer bei solchen Abenden wurde irgendwann mitten am Nachmittag plötzlich die Raffinesse des Entwurfs entnervend, noch bevor das Fest begonnen hatte. Quentin hatte in einem Antikladen einen Bastrock gefunden, den er mit Smokinghemd und -jacke zu kombinieren beabsichtigte, aber der Rock war so kratzig, dass er die Idee aufgeben musste. Da ihm nichts anderes einfiel, verbrachte er den restlichen Nachmittag damit, zu grübeln und Josh aus dem Weg zu gehen. Dieser hatte die ganze letzte Woche lang nach Rezepten gesucht, die ganz und gar gegensätzliche Zutaten miteinander kombinierten – süß und würzig, schwarz und weiß, gefroren und geschmolzen, Ost und West –, und war jetzt dabei, hektisch Ofenklappe und Küchenschranktüren aufzureißen und wieder zuzuknallen. Quentin musste andauernd etwas probieren und Joshs hinterhältige Attacken quer über die Kochinsel aushalten. Alice kam um halb sechs, und Quentin und Josh mieden sie beide. Als die Party richtig anfing, war jeder betrunken, ausgehungert und gereizt.
Aber dann, wie es manchmal bei Dinnerpartys so geht, wurde auf einmal wieder alles auf geheimnisvolle Weise und ganz spontan wundervoll. Das rissige Gewebe fügte sich von selbst wieder zusammen. Tags
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