Fillory - Die Zauberer
Arschloch!!«
Alice war aschfahl. Ihre Zähne schlugen aufeinander.
»Du Scheißkerl! Du beschissener Feigling!«
»Alice«, brachte er schließlich hervor. »Alice, es tut mir leid. Aber hör doch mal … sieh dich um«, und er versuchte, auf die Umgebung rings um sie zu zeigen, wobei er vorsichtig ausprobierte, ob seine Hornhaut noch heil war.
»Halt die Klappe!« Sie schlug wild auf ihn ein, mit beiden Händen, auf den Kopf, auf die Schultern, so dass er sich duckte und beide Arme hob. »Wag es bloß nicht, mit mir zu reden, du Hurenbock, du mieser Hurenbock!«
Stolpernd entfernte er sich ein paar Schritte von ihr, mit flappenden, triefnassen Kleidern, doch sie folgte ihm wie ein Bienenschwarm. Ihre Stimmen auf dem echolosen Platz klangen dünn und leer.
»Alice! Alice!« Augenbraue und Jochbein brannten wie Feuer. »Jetzt vergiss das doch mal für einen Augenblick! Nur ganz kurz!« Sie hatte wohl den Knopf noch in der Hand gehalten, als sie ihn geboxt hatte. Das Ding musste wesentlich schwerer sein, als es aussah. »Versteh doch! Es war nur … alles …« Es musste die richtigen Worte dafür geben! »Ich war durcheinander. Das Leben erschien mir so leer … ich meine, da draußen … Du selbst hast doch mal gesagt: Wir müssen leben, solange wir können. So habe ich es jedenfalls verstanden. Aber das Ganze ist aus dem Ruder gelaufen. Es ist einfach aus dem Ruder gelaufen.« Warum tischte er ihr diese Klischees auf? Er musste Argumente bringen. Er hatte mindestens eins. »Wir waren alle so betrunken …«
»Wirklich? Zu betrunken zum Ficken?« Sie hatte recht. »Ich könnte dich töten. Verstehst du das?« Ihr Gesicht war grotesk verzerrt. Zwei weiß glühende Stellen zeichneten sich auf ihren roten Wangen ab. »Ich könnte dich auf der Stelle zu einem Nichts verbrennen. Ich bin stärker als du. Du hättest keine Chance gegen mich.«
»Alice, jetzt hör mir doch mal zu!« Er musste ihren Redefluss unterbrechen. »Ich weiß, es ist schlimm. Es ist sehr, sehr schlimm. Und es tut mir so leid. Du wirst nie erfahren, wie leid. Das musst du mir glauben! Es ist so wichtig, dass du es verstehst!«
»Bist du etwa ein kleines Kind? Du warst durcheinander? Warum hast du nicht einfach Schluss gemacht, Quentin? Du liebst mich doch schon lange nicht mehr. Du bist wirklich noch ein Kind, oder? Offensichtlich bist du nicht Manns genug für eine Partnerschaft. Du bist nicht mal Manns genug, eine Partnerschaft zu beenden. Muss ich denn alles für dich machen? Nein, ich weiß, woran es liegt: Du hasst dich so sehr, dass du jeden verletzen musst, der dich liebt. So ist es doch, oder? Du musst es jedem heimzahlen, der dich liebt. So was habe ich noch nie erlebt!«
Sie schwieg, kopfschüttelnd, abwesend, ungläubig. Ihre eigenen Worte hatten sie innehalten lassen. In der Stille traf sie die Erkenntnis, dass er sie betrogen hatte, und dann ausgerechnet mit Janet, wieder mit voller Wucht, genauso schlimm wie beim ersten Mal vor zwei Stunden. Quentin sah es ihr an: Es war, als hätte sie einen Bauchschuss abbekommen. Sie hob die Hand, die Handfläche auswärts gedreht, als schütze sie ihre Augen vor dem Anblick seines monströsen Gesichts. Eine nasse Haarlocke klebte an ihrer Wange. Sie schnappte nach Luft. Aus ihren Lippen war das Blut gewichen, aber sie sprach weiter.
»Hat es sich gelohnt?«, fragte sie. »Du warst schon immer geil auf sie, glaubst du, ich hätte das nicht bemerkt? Hältst du mich für blöd? Sag es mir: Hältst du mich für blöd? Sag es mir! Ich will einfach wissen, ob du mich für blöd hältst!«
Sie rannte zu ihm hin und schlug ihm ins Gesicht. Er kassierte den Schlag ein, ohne sich zu wehren oder auszuweichen.
»Nein, ich halte dich nicht für blöd, Alice.« Quentin fühlte sich wie ein Boxer, der stehend k.o. geschlagen worden war. Er schwankte, schielte und betete zu Gott, endlich umzufallen. Sie hatte recht, sie hatte tausend Mal recht, aber wenn er ihr doch nur die Augen für das hätte öffnen können, was er sah – wenn er das alles doch nur ins rechte Licht hätte rücken können! Scheißweiber. Sie hatte sich von ihm abgewandt und ging auf eine der Gassen zu, die zu einem weiteren Platz führte, wobei sie feuchte, unförmige Fußspuren hinterließ. »Aber würdest du dich bitte mal umsehen?« Er flehte sie an, lief ihr hinterher, die Stimme heiser vor Erschöpfung. »Würdest du dir bitte mal für einen Moment klarmachen, dass wir hier vor etwas viel Wichtigerem stehen als der
Weitere Kostenlose Bücher