Fillory - Die Zauberer
tatsächlich ließ er sich einfach treiben. Es war dunkel, sein Körper hing schwerelos in kühlem Wasser. Seine Hoden zog sich vor Kälte zusammen. Flimmernde Sonnenstrahlen, die keine Wärme brachten, fielen durch die Dunkelheit.
Nach dem ersten Schrecken taten ihm die Kühle des Wassers und die Schwerelosigkeit in seinem dehydrierten, fiebrigen, ungeduschten, verkaterten Zustand unglaublich gut. Er hätte durchaus Grund gehabt, voller Panik wild um sich zu schlagen und zu zappeln, aber er ließ sich mit ausgebreiteten Armen treiben. Toter Mann. Was immer kommen mochte, würde kommen. Er öffnete die Augen und das Wasser badete sie in einer feuchten, heilenden Kälte. Er schloss sie wieder. Es gab nichts zu sehen.
Es war eine herrliche Erleichterung. Die Gefühllosigkeit war einfach wunderbar. Genau in dem Moment, als die Welt unerträglich schmerzhaft geworden war, hatte sie, die doch normalerweise in dieser Hinsicht so unzuverlässig und unsensibel war, ihm den Gefallen getan, vollständig zu verschwinden.
Zugegeben, irgendwann würde er Sauerstoff brauchen. Aber noch nicht. Bis dahin hatte er noch reichlich Zeit. An Ertrinken brauchte er noch nicht zu denken. Denn im Augenblick wollte er nichts lieber, als für immer hier zu bleiben, mühelos schwebend in der Fruchtwasserleere, weder auf der Welt noch außerhalb von ihr, weder tot noch lebendig.
Doch eine eiserne Handfessel klemmte sich um sein Handgelenk. Es war Alice’ Hand und sie zog ihn rücksichtslos aufwärts. Sie konnte ihn nicht in Ruhe lassen. Widerstrebend folgte er ihr in Richtung Oberfläche. Gleichzeitig tauchten sie auf.
Sie befanden sich in der Mitte eines ruhigen, verschwiegenen, menschenleeren städtischen Platzes. Wassertretend guckten sie aus dem runden Becken eines Springbrunnens hervor. Es herrschte absolute Stille: kein Wind, keine Vögel, keine Insekten. Breite Pflastersteine führten von dem Brunnen aus in alle Richtungen, sauber und rein wie frisch gefegt. Auf allen vier Seiten war der Brunnen von Steingebäuden umgeben. Sie erweckten den Eindruck, uralt zu sein – sie waren nicht baufällig, aber einst hatte jemand darin gelebt. Sie sahen entfernt italienisch aus. Alice und Quentin hätten in Rom oder Venedig sein können. Aber das waren sie nicht.
Der Himmel war tief und wolkenverhangen und es fiel ein leichter Nieselregen, fast wie Nebel. Die Tröpfchen sprenkelten die glatte Oberfläche des Wassers, das vom Becken aus in den überfließenden Kelch einer großen Bronze-Lotusblume strömte. Der Platz erweckte den Eindruck, als hätten seine Anwohner ihn überstürzt verlassen. Vor fünf Minuten oder vor fünf Jahrhunderten – wer hätte es sagen können?
Quentin trat einen Augenblick Wasser und schwamm dann mit einem Zug hinüber an den Steinrand. Das Becken hatte nur etwa fünfzehn Meter Durchmesser und die Umrandung war verwittert und pockennarbig: alter Kalkstein. Er stützte sich mit beiden Händen ab, hievte sich hoch und klatschte aus dem Becken hinaus aufs Trockene.
»Mein Gott«, flüsterte er keuchend. »Penny, verdammter Idiot! Es ist wahr!«
Der Punkt war nicht, dass er Penny nicht ausstehen konnte. Er hatte einfach nicht geglaubt, dass es stimmte. Und jetzt waren sie in der Stadt! Sie befanden sich wirklich in den echten Nirgendlanden oder jedenfalls irgendwo, wo es unheimlich ähnlich aussah. Es war unglaublich. Der allernaivste, glücklichste, kindisch-schönste Traum seiner frühen Jugend war wahr geworden. Mein Gott, wie sehr er sich in allem geirrt hatte!
Er holte tief Luft. Und noch einmal. Es war, als würde weißes Licht ihn durchfluten. Er hatte gar nicht gewusst, dass er so glücklich sein konnte! Alles, was ihn bedrückte – Janet, Alice, Penny, alles –, verblasste daneben zur Bedeutungslosigkeit. Wenn die Stadt existierte, dann gab es möglicherweise auch Fillory. Die letzte Nacht war ein Desaster gewesen, eine Apokalypse, aber hier das war so viel wichtiger! Alles andere erschien dagegen fast wie ein Witz. Auf sie wartete so viel Freude!
Er drehte sich zu Alice um. »Das ist genau … «
Ihre Faust traf ihn mitten aufs linke Auge. Sie schlug mädchenhaft zu, ohne viel Kraft, aber er hatte die Gerade nicht kommen sehen und ihr nicht ausweichen können. Die linke Seite der Welt flammte grellweiß auf.
Er klappte zusammen, den Handballen ans Auge gepresst. Sie trat ihm gegen die Schienbeine, erst ans eine, dann ans andere, mit bestürzender Treffsicherheit.
»Arschloch! Du
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