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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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nicht mal müde. Er war wie auf Speed. Außer, dass es nach einer Weile sehr viel schwerer wurde, die Bücher herunterzureißen, weil Josh und Richard seine Arme festhielten. Quentin schlug wild um sich, wie ein Kleinkind mit einem Wutanfall. Sie zerrten ihn hinaus in die Eingangshalle.
    Es war so dumm! So offensichtlich. Nein, klug konnte man das nicht nennen. Er hatte Janet gebumst, sie bumste Penny. Bestimmt waren sie noch dabei. Aber er war doch betrunken gewesen! Damit waren sie doch nicht quitt! Er hatte kaum gewusst, was er tat! Nein, so wurden sie nicht quitt. Und ausgerechnet Penny – mein Gott! Josh wäre ihm fast lieber gewesen.
    Sie verbannten ihn in die Scheune, gaben ihm die Flasche Grappa und einen Stapel DVDs und glaubten, er würde sich ins Koma trinken. Josh blieb da, um zu überwachen, dass Quentin keine Magie einsetzte, so fertig, wie er war, aber er nickte sofort ein, mit seiner runden Wange auf der harten Sofalehne wie ein schläfriger Apostel.
    Quentin jedoch konnte Schlaf augenblicklich gestohlen bleiben. Sein Schmerz glich dem Gefühl, abzustürzen. Es war ein bisschen wie von Ecstasy runterzukommen, diese lange Abfahrt. Oder wie bei einer Comicfigur, die von einem Gebäude fällt. Bamm , er triff eine Markise, knallt aber mittendurch. Bamm , schon kommt die nächste. Und noch eine. Bestimmt würde ihn irgendwann eine auffangen und wieder hochkatapultieren oder ihn tragen und wie eine Stoffkrippe einwickeln, aber nein, es kam nur eine fadenscheinige kaputte Markise nach der anderen. Runter, runter und immer weiter runter. Nach einer Weile sehnte er sich danach, dass es aufhörte, sogar, wenn das bedeutete, auf den Bürgersteig zu knallen, aber er fiel immer weiter, runter durch Markise um Markise, tiefer und tiefer in den Schmerz hinein. Schildkröten bis ganz hinunter.
    Quentin interessierte sich nicht für die DVDs, sondern zappte sich nur durch die Sender auf dem riesigen Fernseher und soff direkt aus der Flasche, bis das Sonnenlicht blutig über den Horizont strömte, wie weiteres Säureblut aus seinem kranken, gebrochenen Herzen, das sich – auch wenn es niemanden kümmerte – anfühlte wie eine verrostete Tonne mit Giftmüll ganz am Boden einer Müllkippe. Gift sickerte daraus hervor ins Grundwasser, genügend Gift, um eine ganze Vorstadt voller unschuldiger, ahnungsloser Kinder zu töten.
    Er schlief nicht ein. Die Idee überkam ihn kurz vor dem Morgengrauen, und er wartete, solange er konnte, aber sie war einfach zu gut, um sie für sich zu behalten. Er war wie ein Kind am Weihnachtsmorgen, das nicht erwarten konnte, bis die Erwachsenen aufwachten. Der Weihnachtsmann war da und er würde alles kitten. Um halb acht torkelte er, immer noch halb betrunken, aus der Scheune heraus, hinunter in die Eingangshalle und hämmerte an die Türen der anderen. Verdammt, er stieg sogar die Treppen zu Alice’ Zimmer hinauf, trat die Tür ein und erhaschte einen Blick auf Pennys nackten, weißen Körper, den er wahrhaftig nicht sehen wollte. Er zuckte zusammen und drehte sich um. Aber er ließ sich davon nicht bremsen.
    »Okay!«, rief er. »Leute! Aufstehen, aufstehen, aufstehen! Es ist Zeit! Heute ist der Tag! Leute, Leute, Leute!«
    Er sang zwei Zeilen von James’ dümmlichem Schullied:
Es war einmal in alter Zeit
Ein Knab voll Stärke und Mut.
    Er war jetzt ein Cheerleader, wedelte mit seinen Pompons, hüpfte hoch und runter, sprang in den Spagat auf den Fußboden und brüllte, so laut er konnte.
    »Wir! Gehen! Jetzt! Nach
    Fill!
    O!
    Reeeeee!«

Buch III

FILLORY
    Sie bildeten im Wohnzimmer einen Kreis und fassten sich an den Händen, die Rucksäcke geschultert. Es fühlte sich an wie die Vorbereitung zu einer gemeinsamen Aktion im Studentenwohnheim: Als wollten sie alle LSD nehmen, eine A-Capella-Shownummer singen oder irgendeinen verrückten Campusrekord brechen. Anaïs’ Gesicht glühte vor Aufregung. Trotz der schweren Last auf ihrem Rücken hüpfte sie auf der Stelle. Das nächtliche Drama war vollkommen an ihr vorbeigegangen. Sie war die einzige Person im Raum, die glücklich wirkte, hier zu sein.
    Das Seltsame war, dass es funktioniert hatte. Quentin hatte keine Ruhe gegeben und alle aufgescheucht, und irgendwann hatten sie nach erstaunlich geringem Widerstand nachgegeben. Heute war der entscheidende Tag gekommen. Einerseits war Quentin den anderen unheimlich mit seinem furchterregend funkelnden Schmerzensblick, aber andererseits mussten sie zugeben, dass er recht hatte: Es wurde

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