Fillory - Die Zauberer
Situation brenzlig wird! Und im Notfall haben wir den Knopf als Reißleine! Ich finde, dass du überreagierst.«
»Nun, und ich finde, dass du unterreagierst!«, entgegnete Richard. »Und was meinst du wohl, wie die Behörden überreagieren werden, wenn sie erfahren, wie weit ihr die Sache treibt?«
»Wenn sie es je erfahren«, erwiderte Anaïs. »Aber das wird nicht passieren.«
»Und wenn doch«, warf Janet erregt ein, »dann wird es als die Entdeckung des Jahrhunderts gefeiert werden! Wir gehen in die Geschichte ein und du bist nicht dabei. Und wenn du das nicht kapierst, weiß ich nicht, warum du überhaupt mitgekommen bist!«
»Ich bin mitgekommen, um euch davon abzuhalten, Dummheiten zu machen. Und genau das versuche ich gerade.«
»Na schön.« Sie legte ihm eine Hand auf die Wange und wandte sich ab. Ihr Gesicht war vor Kummer verzerrt. »Ist uns doch egal, ob du mitkommst oder nicht. Es sind sowieso nur vier Throne da.«
Quentin befürchtete schon, dass Alice sich Richard anschließen würde – sie sah aus, als lägen bei ihr die Nerven blank. Er wunderte sich, dass sie nicht schon früher aufgegeben hatte. Sie war viel zu vernünftig für ein spontanes Abenteuer wie dieses. Quentin empfand genau das Gegenteil. Gefahr drohte bei Rückkehr oder Stillstand. Weiterzumachen war der einzig gangbare Weg. Die Vergangenheit lag in Trümmern, doch die Gegenwart bot noch alle Chancen. Man hätte ihn fesseln müssen, um ihn davon abzuhalten, zu Embers Grab zu gehen.
Richard war durch nichts zu bewegen, also brachen sie schließlich in einer lockeren Formation ohne ihn auf. Dint und Fen übernahmen die Führung. Sie folgten dem Kutschweg, auf dem sie gestern gekommen waren, nur für ein kurzes Stück, dann schwenkten sie in den Wald ab. Trotz der Erhabenheit ihres bedeutenden und edlen Zieles fühlte sich Quentin eher wie bei einer Wanderung im Sommerlager oder auf einem Schulausflug, bei dem die Jugendlichen herumalberten und die beiden Begleitpersonen mürrisch, verächtlich und erwachsen dreinschauten und die Schüler mit strafendem Blick zur Ordnung mahnten, wenn sie zu weit vom Wege abkamen. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft entspannten sich alle ein wenig, waren wieder sie selbst und hörten auf, die kühnen Entdeckerhelden zu spielen. Niedrige Steinmauern zogen sich über den Waldboden, und abwechselnd balancierten sie darauf herum. Niemand wusste, wer sie erbaut hatte und warum. Josh fragte laut, wo das verdammte Kuschelpferd stecke. Nie sei es da, wenn man es wirklich brauche. Bald darauf verließen sie den Wald und gelangten erst zu einer Flickendecke sonnenbeschienener Weiden, dann auf offenes Ackerland.
Es wäre nicht schwer gewesen, Alice allein zu sprechen. Doch jedes Mal, wenn Quentin in Gedanken durchging, was er ihr sagen wollte, kam er an den Punkt, an dem er sie fragen musste, was mit Penny geschehen war, und dann wurde die Traumsequenz einfach weiß, wie ein Film von einer Atombombenexplosion. Also unterhielt er sich stattdessen mit den Führern.
Keiner von beiden war sehr gesprächig. Dint zeigte einen kleinen Funken Interesse, als er erfuhr, dass die Gäste ebenfalls Zauberer waren. Doch es erwies sich, dass sie nicht viel gemeinsam hatten. Dint besaß ausschließlich Erfahrung in Kampfmagie und konnte sich kaum vorstellen, dass es auch andere Anwendungsgebiete gab.
Quentin hatte den Eindruck, dass er nur widerstrebend aus dem Nähkästchen plauderte. Nur über eines sprach er bereitwillig.
»Die hier habe ich selbst genäht«, sagte er ein wenig schüchtern. Er zog sein Cape beiseite und zeigte Quentin eine Art Munitionsweste, die er darunter trug und auf die reihenweise viele kleine Taschen aufgenäht waren. »Darin bewahre ich Kräuter auf, Pulver, alles, was ich unterwegs vielleicht gebrauchen könnte. Wenn ich für einen Zauber Material benötige, mache ich einfach … so« – und er führte einige schnelle Greif- und Streubewegungen aus, die er offenbar lange geübt hatte – »und bin sofort bereit!«
Anschließend verschloss sich sein Gesicht wieder und er versank erneut in mürrisches Schweigen. Er trug einen Zauberstab, was in Brakebills praktisch niemand tat. Es galt als ein wenig peinlich, wie Stützräder oder Sexspielzeug.
Fen war offener und freundlicher, zugleich aber auch schwerer einzuschätzen. Sie war keine Zauberin und trug keine sichtbaren Waffen, und doch war sie offensichtlich die Stärkere der beiden. Soweit Quentin begriff, beherrschte sie eine besondere
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