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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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nah bei Quentin. Sie sah klein und still und verfroren aus.
    »Ich will da nicht reingehen, Quentin«, sagte sie leise, ohne ihn anzusehen.
    Im Laufe der letzten Woche hatte Quentin Stunden damit verbracht, sich vorzustellen, was er zu Alice sagen würde, falls sie jemals wieder mit ihm reden sollte. Doch all seine sorgsam geplanten Reden waren beim Klang ihrer Stimme vergessen. Sie würde auf eine Ansprache verzichten müssen. Es war so viel einfacher, wütend zu sein. Seine Wut machte ihn stark, obwohl sie nur seiner eigenen, unsicheren Position entsprang. Dieser Widerspruch dämpfte seinen Zorn jedoch kein bisschen.
    »Dann geh doch nach Hause«, sagte er nur.
    Das war auch nicht richtig. Aber es war zu spät, denn irgendjemand kam auf sie zugerannt.
     
    Das Merkwürdige war, dass sie sich noch hundert Meter vom Eingang des Grabes entfernt befanden und Quentin die Kreaturen über die ganze Distanz beobachten konnte. Sie waren zu zweit und rannten mindestens eine Minute lang in Windeseile über das feuchte Gras, als trainierten sie frühmorgendliche Kurzsprints. Es war fast komisch. Sie waren nicht menschlich und schienen auch nicht derselben Spezies anzugehören, aber sie waren beide niedlich. Das Eine sah aus wie ein Riesenhase, gedrungen und mit graubraunem Fell bedeckt, vielleicht einen Meter zwanzig groß und genauso breit. Entschlossen hüpfte es auf sie zu, die langen Ohren flach zurückgelegt. Das andere Wesen glich eher einem Frettchen – oder vielleicht einem Erdmännchen? Einem Wiesel? Quentin suchte nach einem Pelztier, das dem Wesen ähnlich sah. Was immer es war: Es rannte aufrecht auf zwei Beinen und es war groß, mindestens zwei Meter zehn. Zu seiner Größe trug hauptsächlich sein langer, seidenglatter Körper bei. Es hatte kein Kinn, dafür aber zwei lange, hervorstehende Vorderzähne.
    Dieses seltsame Paar kam lautlos über das grüne Gras auf sie zugestürmt. Kein Kampfgeschrei, keine Filmmusik störte die frühmorgendliche Stille. Zunächst sah es so aus, als kämen sie ihnen zur Begrüßung entgegen, doch das Häschen hielt kurze, gedrungene Schwerter in beiden Vorderpfoten, die es beim Rennen vor sich ausstreckte, und das Frettchen schwang einen Bauernspieß.
    Sie hatten sich bis auf fünfzig Meter genähert. Die Brakebills-Gruppe wich unwillkürlich zurück, als seien die Neuankömmlinge von einem unsichtbaren Kraftfeld umgeben. Das war’s: Sie hatten die Grenzen des Fassbaren erreicht. Irgendetwas musste zerbrechen. Zwangsläufig. Dint und Fen regten sich nicht. Quentin erkannte, dass es weder Verhandlungen oder harmlose Diskussionen geben würde, sondern einen bewaffneten Kampf. Er hatte geglaubt, darauf vorbereitet zu sein, aber er war es nicht. Jemand musste dem Einhalt gebieten. Die Mädchen klammerten sich aneinander wie in einem heulenden Sturm, sogar Alice und Janet.
    Oh mein Gott, dacht Quentin, das passiert wirklich! Das passiert wirklich!
    Das Frettchen erreichte sie als Erster. Es bremste mit stockenden Trippelschritten ab und blieb nervös stehen. Es keuchte heftig. Seine riesigen Augen funkelten, während es mit beiden Pfoten seinen Spieß geschickt in eine Achterrotation versetzte. Er zwitscherte leise in der stillen Luft.
    »Hup!«, schrie Fen.
    »Ha!«, antwortete Dint.
    Sie stellten sich Seite an Seite auf, als machten sie sich bereit, etwas Schweres anzuheben. Dann wich Dint zurück und ließ Fen den Vortritt.
    »Oh Gott!«, hörte Quentin sich sagen. »Gott, Gott, Gott!« Er war auf so etwas nicht vorbereitet. Das hatte nichts mit Magie zu tun. Das war das Gegenteil von Magie. Die Welt riss auseinander.
    Das Frettchen begann mit einem Scheinangriff, gefolgt von einem gemeinen Stoß in Richtung von Fens Gesicht. Die beiden Enden des Bauernspießes glühten jetzt in einem unheilvollen, magischen Orange, wie Zigarettenspitzen. Ein Schrei gellte durch die Stille.
    In dem Moment, als das eine Ende des Spießes nach vorne peitschte, drehte sich Fen davon weg, beugte sich in der Taille nach vorn, duckte sich vor dem Schlag und ging geschmeidig, fast träge, in einen elegant gedrehten Roundhouse-Kick über. Ihre Bewegungen wirkten langsam, aber ihr Fuß traf das Kinn des Frettchens so fest, dass sein Kopf um eine Vierteldrehung herumgeschleudert wurde.
    Das Frettchen grinste. Seine großen Zähne waren blutig. Aber es musste gleich noch mehr einstecken. Noch immer in der Drehung begriffen, trat Fen es mit voller Wucht seitlich gegen das Knie. Das Gelenk knickte ein, in einem

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