Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
Vom Netzwerk:
Art der Kampfkunst – sie bezeichnete ihre Disziplin als Inc Aga, ein unübersetzbarer Ausdruck aus einer Sprache, von der Quentin noch nie gehört hatte. Sie hielt sich an strikte Regeln: Sie trug niemals Waffen, berührte weder Silber noch Gold und aß so gut wie nichts. Wie Inc Aga in der Praxis aussah, konnte sich Quentin unmöglich vorstellen, da sie ausschließlich in hochtrabenden, abstrakten Metaphern davon sprach.
    Sie und Din waren professionelle Abenteurer.
    »Es gibt heute nicht mehr viele von uns«, sagte Fen, deren kurze, kräftige Beine den Weg irgendwie schneller zurücklegten als Quentins lange, dünne. Sie sah ihn nicht an, während sie mit ihm sprach, sondern suchte mit ihren hervorstehenden Augen unablässig den Horizont nach drohenden Gefahren ab. »Menschen, meine ich. Fillory ist ein unzivilisiertes Land, und es verwildert immer mehr. Der Wald breitet sich aus und wird immer größer und dichter. Jeden Sommer fällen wir die Bäume, brennen sie manchmal sogar nieder und markieren die Grenzen der Wälder. Im Sommer darauf liegen die Markierungen hundert Meter tief im Wald! Die Bäume verschlingen die Bauernhöfe und die Bauern ziehen in die Städte. Aber wo werden wir leben, wenn ganz Fillory aus Wald besteht? Als ich ein kleines Mädchen war, stand das ›Zwei Monde‹ in der offenen Landschaft.
    Den Tieren ist es egal«, fuhr sie verbittert fort. »Ihnen gefällt es so.«
    Sie verfiel in Schweigen. Quentin erschien der Zeitpunkt passend, um ein anderes Thema anzuschneiden. Er fühlte sich wie ein frischgebackener Obergefreiter aus Dubuque, Iowa, der sich mit einem seiner Einheit angehörigen, harten südvietnamesischen Berufssoldaten auf eine Fachsimpelei einlässt.
    »Ich möchte nicht unhöflich sein«, begann er, »aber müssen wir euch eigentlich bezahlen? Oder bezahlen euch andere?«
    »Wenn wir erfolgreich sind, reicht uns das als Sold.«
    »Aber warum soll eigentlich jemand aus unserer Welt euer König werden? Jemand, den ihr nicht einmal kennt? Warum krönt ihr nicht einen aus Fillory?«
    »Nur eure Art kann auf den Thronen von Schloss Whitespire sitzen. So will es das Gesetz. Das war schon immer so.«
    »Aber das ist doch widersinnig. Und das sage ich, obwohl ich von diesem Gesetz profitiere.«
    Fen verzog das Gesicht. Ihre hervorstehenden Augen und die vollen Lippen verliehen ihr Ähnlichkeit mit einem Fisch.
    »Unsere Leute töten und betrügen sich seit Jahrhunderten, Quentin«, sagte sie. »Wie könntet ihr schlimmer sein? Die Regierungszeit der Chatwins war die letzte friedliche Ära, an die sich irgendjemand erinnern kann. Ihr kennt hier niemanden, ihr habt keine Geschichte, keine offenen Rechnungen. Ihr gehört keiner Partei an.« Sie starrte auf die Straße, die vor ihnen lag, und stieß ihre Worte abgehackt hervor, in abgrundtief verbittertem Ton. »Politisch gesehen ist es also absolut sinnvoll. Wir haben einen Punkt erreicht, an dem Unwissenheit und Neutralität das Beste sind, was wir uns von einem König erhoffen können.«
    Von da an wanderten sie den ganzen Tag über sanfte Hügel, die Daumen in die Trageriemen ihrer Rucksäcke eingehakt. Manchmal folgten sie Kalksteinstraßen, manchmal gingen sie querfeldein durch die Felder, wo Grillen aus dem hohen Gras aufsprangen, um ihnen auszuweichen. Die Luft war kühl und klar.
    Es war ein leichter Weg, eine Wanderung für Anfänger. Ab und zu sangen sie. Eliot zeigte auf einen Hügelhang, der nach seinen Worten geradezu »danach schrie«, Pinottrauben darauf anzubauen. Nicht ein einziges Mal sahen sie eine Stadt oder begegneten anderen Reisenden. Die Bäume oder Grenzpfosten, an denen sie ab und zu vorbeikamen, warfen kerzengerade, gestochen scharfe Schatten. Quentin fragte sich, wie Fillory überhaupt funktionierte. Es gab keine nennenswerte Zentralregierung, also was tat eigentlich ein König? Das gesamte politische System schien im feudalen Mittelalter stehengeblieben zu sein, doch es gab durchaus Elemente, die aus dem späten neunzehnten Jahrhundert zu stammen schienen. Wer hatte diese wunderschöne, viktorianisch anmutende Kutsche gebaut? Welche Handwerker schufen die Mechanik der Uhrwerke, die in Fillory so allgegenwärtig waren? Oder wurden diese Gegenstände mit Hilfe von Magie erschaffen? Jedenfalls schien Fillory absichtlich auf dem Stand des vorindustriellen Agrarzeitalters zu verharren. Freiwillig. Wie die Amischen.
    Um die Mittagszeit beobachteten sie eine der berühmten täglichen Sonnenfinsternisse von Fillory

Weitere Kostenlose Bücher