Fillory - Die Zauberer
heftig keuchend. Martins Augen waren blutunterlaufen und grimmig auf sie gerichtet. »Wie findest du sie? Toll, oder? Grundlagenstoff, Zweites Studienjahr! Aber du hast nie eine Schule besucht, oder, Martin? Du hättest in Brakebills nicht mal die erste Stunde überstanden!«
Sie so alleine kämpfen zu sehen war unerträglich. Quentin hob die Wange vom sandigen Boden und versuchte, einen Zauberspruch zu sprechen, irgendetwas, und wenn es nur der Ablenkung gedient hätte, aber seine Lippen konnten keine Wörter formen. Seine Finger wurden allmählich taub. Frustriert schlug er mit den Händen auf die Erde. Nie hatte er Alice mehr geliebt. Er sandte ihr in Gedanken Kraft, obwohl er wusste, dass sie es nicht spüren konnte.
Alice und Martin waren über eine Minute lang in einen erbitterten Zweikampf verwickelt. Zu dem Rüstungszauber musste auch eine gehörige Dosis Kampfkunsttechnik gehören, denn Alice schwang ihr Märchenschwert, nun mit beiden Händen, in einem komplizierten Muster durch die Luft. Am dicken Ende trug es einen gemeinen Dorn, der blutige Wunden schlug. Die Haare hingen ihr schweißverklebt in die Stirn, doch sie verlor keinen Augenblick die Konzentration. Nach einer weiteren Minute verschwand die Rüstung – der Zauber musste wirkungslos geworden sein –, doch jetzt ließ sie die Luft rund um das Ungeheuer derart abkühlen, dass es zu einer Frostmumie gefror. Sogar seine Kleider wurden zu Eis und fielen in steifen Fetzen von ihm ab, bis er nackt und fischbauchweiß dastand.
Doch er hatte sich ihr dicht genug genähert, um sie am Arm packen zu können. Plötzlich war sie wieder eine junge Frau, klein und verletzlich.
Aber nicht lange. Sie spie eine wütende Silbensequenz aus und verwandelte sich in eine gelbbraune Löwin mit einem weißen, flaumigen Bart unter dem Kinn. Es kam zu einem Handgemenge zwischen ihr und Martin. Sie wälzten sich über den Boden und versuchten mit aufgesperrten Mäulern, die Zähne ineinander zu schlagen. Alice setzte ihre mächtigen Hinterläufe ein, um zu kratzen und zu versuchen, ihrem Gegner den Bauch aufzuschlitzen, wobei sie wütend fauchte.
Janet umkreiste die Kämpfenden, versuchte, Munition in den Revolver zu hämmern, und ließ dabei mehrere Patronen in den Sand fallen. Aber sie hätte sowieso nicht richtig zielen können, so verkrallt, wie die Kontrahenten ineinander waren. Schon steckte das Ungeheuer in den Schlingen einer mächtigen, gefleckten Anakonda, dann wurde Alice zu einem Adler, dann zu einem riesigen, scheckigen Bären, dann zu einem furchterregenden, mannsgroßen Skorpion mit klammernden Beinen und einem Giftstachel, so groß wie ein Kranhaken, den sie Martin in den Rücken stach. Licht blitzte und knisterte um sie, während sie kämpften, und ihre ringenden Körper hoben vom Boden ab. Das Ungeheuer hatte die Oberhand gewonnen, doch rücklings dehnte sich Alice zu einem riesigen, geschmeidigen, sich schlängelnden Drachen aus, dessen mächtige Schwingen klatschend auf den Sand schlugen. Die anderen brachten sich rasch in Sicherheit. Das Ungeheuer wuchs mit ihr, so dass der Drache mit einem Riesen kämpfte. Alice packte das Ungeheuer mit ihren Klauen und spuckte ihm einen blauen Flammenstrahl mitten ins Gesicht.
Für einen Augenblick wand sich Martin in ihrem Griff. Seine Augenbrauen waren verschwunden und sein Gesicht bizarr geschwärzt. Quentin hörte den Alice-Drachen wild keuchen. Das Ungeheuer erzitterte und erschlaffte. Dann schien es sich zu erholen und boxte Alice hart ins Gesicht.
Sofort wurde sie wieder menschlich. Ihre Nase blutete. Martin rollte sich geschickt zur Seite ab und kam auf die Füße. Obwohl nackt, zauberte er von irgendwo ein sauberes Taschentuch herbei und benutzte es, um sich einen Teil des Rußes aus dem Gesicht zu wischen.
»Verdammt!«, rief Quentin heiser. »Tut doch etwas! Helft ihr!«
Janet lud eine letzte Patrone und schoss, dann bewarf sie das Ungeheuer mit der Waffe. Sie prallte von Martin Chatwins Kopf ab, ohne ihm auch nur ein Haar zu krümmen.
»Fick dich!«, schrie sie.
Martin ging einen Schritt auf Alice zu. Nein. Das musste ein Ende nehmen.
»He, Arschloch!«, brachte Quentin hervor. »Eines hast du vergessen!«
Er spuckte Blut, legte seinen besten Cubano -Akzent auf und rief mit hysterisch überkippender Stimme: » Sag schön Buenos días zu meinem kleinen Amigo!«
Quentin flüsterte das Losungswort, das Fogg ihm in der Nacht der Schulabschlussfeier gegeben hatte. Er hatte es schon hundert Mal
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