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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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vorherrschender Gedanke, als er dort lag, war, dass dies authentisch grob gewebte Vorhänge waren, hergestellt von Leuten, die nicht wussten, dass es irgendein anderes Verfahren zur Herstellung von Vorhängen gab, ja, die nicht einmal ahnten, dass ihre Methode besonders und daher nicht schon von vornherein im Wert vermindert und ihrer Bedeutung beraubt war. Das machte ihn sehr glücklich. Es war, als hätte er schon ewig nach diesen Vorhängen gesucht, als hätte er sein ganzes Leben lang darauf gewartet, eines Morgens in einem Zimmer zu erwachen, in dem diese grob gewebten, naturgrünen Vorhänge vor den Fenstern hingen.
    Von Zeit zu Zeit hörte man das Klappern von Hufen aus dem Gang draußen. Dieses Rätsel löste sich von selbst, als eine Frau mit einem Pferdekörper mit dem Vorderleib ins Zimmer trat. Der Effekt war überraschend unüberraschend. Sie war eine stämmige, sonnengebräunte Frau mit kurzen braunen Haaren, die zufällig am Chassis einer seidig-glänzenden schwarzen Stute befestigt war.
    »Sind Sie wach?«, fragte sie. Quentin räusperte sich, doch seine Kehle war wie zugeschnürt. Sie war schrecklich trocken, zu trocken zum Sprechen, also nickte er nur.
    »Ihre Heilung ist fast abgeschlossen«, sagte die Zentaurin mit dem Ausdruck einer älteren Chirurgin, die ihre Runde machte und zu beschäftigt war, um medizinische Wunder zu bejubeln. Sie begann mit ihrem langsamen, zielstrebigen Rückzug in den Gang.
    »Sie haben sechs Monate und zwei Tage geschlafen«, fügte sie hinzu, bevor sie verschwand.
    Quentin hörte sie davonklappern. Dann war wieder alles still. Er gab sich große Mühe, sein Glücksgefühl zu bewahren. Aber es ließ sich nicht festhalten.
    An die sechs Monate seiner Genesung konnte er sich so gut wie nicht erinnern – lediglich ein flüchtiger Eindruck blauer Tiefen und komplizierter, verzauberter Träume war ihm geblieben. Quentins Erinnerungen an das, was in Embers Grab geschehen war, waren dagegen glasklar. Er hätte das Glück haben können, dass dieser Tag (oder war es Nacht gewesen?) ebenfalls in die Amnesie-Periode gefallen oder zumindest von einem gnädigen, posttraumatischen Schleier gedämpft worden war. Aber nein, das war ihm nicht vergönnt. Er konnte sich an jedes Detail haargenau erinnern, messerscharf, in voller Lautstärke, aus jedem Blickwinkel, bis zu dem Augenblick, in dem er das Bewusstsein verloren hatte.
    Der Schock zwängte ihm die Brust zusammen. Er presste die Luft aus seinen Lungen, wie es die Kiefer des Ungeheuers getan hatten, aber nicht nur einmal, sondern wieder und wieder. Er war dem Gefühl hilflos ausgeliefert. Er lag im Bett und schluchzte, bis er halb erstickte. Sein schwacher Körper zuckte. Er stieß Laute aus, die er noch nie einen Menschen hatte von sich geben hören. Er vergrub sein Gesicht in sein flaches, kratziges Strohkissen, bis es von Tränen und Rotz durchnässt war. Sie war für ihn gestorben, für sie alle, und sie würde nie mehr wiederkehren.
    Er war nicht imstande, zu reflektieren, was geschehen war, sondern konnte die Ereignisse nur immer wieder zurückspulen, als bestünde die Chance, dass sich irgendwann etwas veränderte oder es wenigstens nicht mehr ganz so sehr schmerzte, aber jedes Mal, wenn er alles aufs Neue durchlebte, wäre er am liebsten gestorben. Sein halb verheilter Körper schmerzte durch und durch, als wäre er braun und blau bis auf die Knochen, doch er wollte, dass es noch mehr wehtat. Er hatte keine Ahnung, wie er in einer Welt leben sollte, die zuließ, dass so etwas geschah. Das war eine Scheißwelt, eine arglistige Täuschung, Bauernfängerei und er wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben. Aus dem Schlaf schreckte er jedes Mal auf, weil er versuchte, irgendjemanden vor irgendetwas zu warnen, aber im Wachzustand wusste er nicht mehr, wen oder wovor, und es war immer zu spät.
    Mit der Trauer kam die Wut. Was hatten sie sich eigentlich dabei gedacht? Eine Gruppe halber Kinder, die in einen Bürgerkrieg in einer fremden Welt hineinmarschierte? Alice war tot (und Fen, und wahrscheinlich auch Penny), und das Schlimmste war, dass er sie alle hätte retten können und es nicht getan hatte. Er hatte ihnen zugerufen, es sei an der Zeit, nach Fillory zu gehen. Er hatte in das Horn geblasen, das das Ungeheuer heraufbeschwor. Alice war seinetwegen mitgekommen, um auf ihn aufzupassen. Aber er hatte nicht auf sie aufgepasst.
    Die Zentauren beobachteten ihn mit fremdartigem Desinteresse, wie Fische.
    In den folgenden Tagen

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