Fillory - Die Zauberer
Anfangs wusste Quentin nicht so recht, warum er solche Angst hatte, nach Hause zurückzukehren, bis er erkannte, dass es das eigentlich gar nicht war. Vielmehr befürchtete er, dass man ihn, einmal fort von Brakebills, nie wieder hineinließe. Er würde niemals den Weg zurück finden – sie würden die geheime Tür zum Garten hinter ihm zuschlagen und abschließen. Der Eingang würde für immer hinter den Rankpflanzen und Steinornamenten verborgen bleiben, und er wäre auf ewig in der realen Welt gefangen.
Am Ende fuhr er für fünf Tage nach Hause. Und für einen Moment, als er die Eingangstreppe hinaufstieg und den guten alten, vertrauten Zuhausegeruch einatmete, einen betörenden Duft von Essen, Farbe, Orientteppichen und Staub, als er das breite, leicht verzweifelte Lächeln seiner Mutter und die robuste, raue gute Laune seines Vaters erblickte, wurde er wieder zu dem Jungen, der früher mit ihnen gelebt hatte. Er spürte den Sog, die Anziehungskraft des kleinen Kindes, das er einmal gewesen war und das er in einer unaufgeräumten Ecke seiner Seele immer bleiben würde. Er gab sich der alten Illusion hin, dass es falsch gewesen war, von hier fortzugehen und dass hier das Leben war, das er eigentlich leben sollte.
Aber der Zauber hielt nicht an. Er konnte nicht bleiben. Irgendetwas an seinem Elternhaus war ihm jetzt unerträglich. Nachdem er so lange ein Turmzimmer mit gerundeten Wänden bewohnt hatte, wie konnte er da in sein schäbiges Jungenzimmer in Brooklyn zurückkehren, wo die weiße Farbe von den Wänden abblätterte, die Fenster vergittert waren und man lediglich Aussicht auf einen winzigen, von Mauern umringten Flecken Dreck hatte? Er hatte seinen wohlmeinenden, höflich neugierigen Eltern nichts zu sagen. Sowohl ihre Aufmerksamkeit als auch ihre Gleichgültigkeit waren unerträglich. Seine Welt war kompliziert, interessant und magisch geworden. Ihre war gewöhnlich und bodenständig. Sie konnten nicht verstehen, dass die Welt, die sie sehen konnten, nicht die wirklich wichtige war, und sie würden es auch niemals verstehen.
An einem Donnerstag kehrte er nach Hause zurück. Am Freitag schickte er James eine SMS und am Samstagmorgen traf er sich mit James und Julia auf einer ausrangierten Barkasse auf dem Gowanuskanal. Er konnte nicht genau sagen, warum sie diesen Ort mochten, außer, dass er für alle ungefähr gleich weit von zu Hause entfernt war und relativ geschützt lag. Das Boot befand sich am Ende einer Sackgasse, die auf den Kanal zuführte, und man erreichte es, indem man über eine verrostete Metallabsperrung kletterte. Die Barkasse strahlte die stille Ruhe eines Ortes aus, der am Wasser lag, egal wie brackig und vergiftet es dort auch sein mochte. Es gab eine Art Betonabsperrung, auf der man sitzen konnte, während man die ölige Oberfläche des Gowanus mit Händen voller Kieselsteine aufwirbelte. Ein ausgebranntes Backsteinlagerhaus mit Bogenfenstern ragte am anderen Ufer über der Szenerie auf – das zukünftige Luxusloft von irgendjemand.
Es war gut, James und Julia wiederzusehen, aber es war noch besser, seinen veränderten Blick auf sie zu erleben und dadurch zu ermessen, wie sehr er sich selbst verändert hatte. Brakebills hatte ihn gerettet. Er war nicht länger der Versager mit dem gesenkten Blick, der er noch am Tag seines Verschwindens gewesen war, James Handlanger und Julias lästiger Verehrer. Nachdem er und James ihre rauen Hallos und flüchtigen Händedruck-Umarmungen ausgetauscht hatten, empfand er nicht mehr diese instinktive Ehrerbietung für ihn, als sei James der Held des Stücks und nicht er. Als er Julia anblickte, suchte er nach der alten Liebe, die er für sie empfunden hatte. Sie war nicht verschwunden, aber sie war zu einem dumpfen, fernen Schmerz geworden, immer noch vorhanden, aber vernarbt – wie ein Granatsplitter, der nicht entfernt werden konnte.
Quentin hatte vorher nicht darüber nachgedacht, dass sie sich vielleicht nicht so überschwänglich freuen würden, ihn zu sehen. Er war abrupt aufgebrochen, ohne Erklärung, und er hatte keine Ahnung, wie verletzt und betrogen sie sich möglicherweise fühlten. Sie saßen zu dritt nebeneinander, und Quentin dichtete aus dem Stegreif eine oberflächliche Beschreibung der obskuren, aber höchst elitären Einrichtung, die er aus irgendeinem Grund besuchte. Den Lehrplan hielt er so vage wie möglich. Er konzentrierte sich auf architektonische Besonderheiten. James und Julia schmiegten sich eng aneinander, um
Weitere Kostenlose Bücher