Fillory - Die Zauberer
der einen Seite, die andere ihr gegenüber, und dann versucht man, Quadrate zu erobern.«
»Wie erobert man ein Quadrat?«
Gretchen wackelte geheimnisvoll mit dem Finger in der Luft herum. »Mit Magiiiiiee!«
»Und wo sind die Besen?«, fragte Quentin, nur halb im Scherz.
»Es gibt keine Besen. Welters ist so ähnlich wie Schach. Es wurde vor fünfzig Millionen Jahren erfunden. Ich glaube, ursprünglich sollte es Bestandteil des Unterrichts sein. Andere sagen, es sei die Alternative zum Duellieren gewesen. Die Studenten haben sich zu oft gegenseitig umgebracht, deshalb hat man sie zum Weltersspielen angeregt.«
»Lang, lang ist’s her.«
Surendra versuchte aus dem Stand, über ein Wasserquadrat zu springen, rutschte aber aus und landete mit einer Ferse im Wasser.
»Scheiße!« Er blickte hinauf zum eiskalten blauen Himmel. »Ich hasse Welters!«
Eine Krähe flog vom Wipfel einer Winterulme auf. Hinter den Bäumen versank die Sonne in einem gefrorenen Wirbel von rosafarbenen Zirruswolken.
Surendra verließ mit schwingenden Armen das Spielfeld.
»Meine Finger sind schon ganz taub. Lasst uns reingehen.«
Stumm kehrten sie auf dem Weg in Richtung Meer zurück, bliesen dabei fortwährend in ihre Hände und rieben sie aneinander. Als die Sonne unterging, wurde es noch kälter. Die Bäume hoben sich bereits schwarz vor dem Himmel ab. Sie würden sich beeilen müssen, wenn sie sich vor dem Essen noch umziehen wollten. Quentin wurde von einem heftigen Gefühl spätnachmittäglicher Leere erfüllt. Ein Schwarm wilder Truthähne patrouillierte am Waldesrand, aufrecht und alarmbereit. Sie sahen seltsam dinosaurierähnlich und bedrohlich aus, wie eine verirrte Schwadron von Velociraptoren.
Während sie den Rasen überquerten, versuchten die beiden anderen, ihn über Eliot auszuquetschen.
»Du bist also richtig befreundet mit dem Typen?«, fragte Surendra.
»Und woher kennst du ihn eigentlich?«, wollte Gretchen wissen.
»Ich kenne ihn eigentlich nicht sehr gut. Er ist ja meistens mit seinen Freunden zusammen.« Insgeheim war Quentin stolz darauf, mit Eliot in Verbindung gebracht zu werden, obwohl sie kaum noch ein Wort miteinander wechselten.
»Ja, ich weiß schon«, höhnte Surendra, »die Physiker. Ein Haufen Versager.«
»Wer sind denn ›die Physiker‹?«
»Ach, du weißt schon, diese ganze Clique. Janet Way und dieser Dicke, Josh Hoberman – die eben. Ihre Disziplinen haben alle etwas mit Physikalischer und Physiologischer Magie zu tun.«
Im Irrgarten stieg ihr weißer Atem dampfend an den dunklen Hecken empor. Surendra erklärte, dass die Studierenden vom Dritten Jahr an ein magisches Fachgebiet wählten, auf dem sie sich spezialisieren wollten, oder genauer, die Dozenten wählten es für sie aus. Anschließend wurden sie je nach Fach in Gruppen eingeteilt.
»Es hat eigentlich nicht viel zu bedeuten, nur dass sich die Studenten der einzelnen Fächer jeweils zu einem lockeren Kreis zusammenschließen. Physiker sind am seltensten. Die bilden sich was darauf ein, glaube ich. Und über Eliot weißt du ja Bescheid.«
Gretchen zog anzüglich grinsend die Augenbrauen hoch. Ihre Nase war von der Kälte draußen gerötet. Inzwischen hatten sie die Terrasse erreicht, und der rosafarbene Sonnenuntergang spiegelte sich verzerrt in den welligen Glastüren wider.
»Was soll ich über Eliot wissen?«, fragte Quentin. »Du scheinst ihn besser zu kennen als ich.«
»Wie, du weißt es nicht?«
»Oh, mein Gott!« Theatralisch legte Gretchen Surendra die Hand auf den Arm. »Ich wette, er ist einer von Eliots …«
In diesem Moment öffneten sich die Glastüren und Penny stürmte auf sie zu, steifbeinig, mit heraushängendem Hemd, ohne Jacke. Sein blasses rundes Gesicht schwamm fahl in der Dunkelheit, ausdruckslos, aber entschlossen. Sein Gang wirkte roboterhaft, wie aufgezogen. Als er näher kam, vollführte er noch einmal einen kleinen Sprung, winkelte den Arm an und verpasste Quentin einen Faustschlag ins Gesicht.
Körperliche Auseinandersetzungen waren in Brakebills so gut wie unbekannt. Die Studierenden tratschten, intrigierten und sabotierten die P.Ü.-Experimente ihrer Kommilitonen, aber physische Gewalt kam praktisch nie vor. Zu Hause in Brooklyn hatte Quentin manchen Kampf beobachtet, wobei er sich selbst lieber raushielt. Er war kein aggressiver Typ, und seine Größe verhinderte, dass er den aggressiven Typen zum Opfer fiel. Er hatte keine Geschwister. Er war seit der Grundschule nicht mehr
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