Fillory - Die Zauberer
gleichaltrigen und jüngeren Kommilitonen betrachteten sein zerschlagenes Gesicht voller Respekt – sein Ohr war geschwollen und er hatte ein monströses Veilchen. Die Älteren amüsierten sich über die ganze Sache. Quentin entschied sich, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und gab sich redlich Mühe, gelassen und humorvoll zu wirken. Für einen Moment schwamm Eliots Gesicht vor ihm, mit einem so mitfühlenden Ausdruck, dass Quentin die heißen Tränen, die ihm in die Augen stiegen, krampfhaft hinunterschlucken musste. Es stellte sich heraus, dass es Eliot und die Physiker gewesen waren – wenn man vom Teufel spricht! –, die den Kampf beendet hatten. Die starken und zugleich sanften Arme, die ihn von Penny weggezogen hatten, gehörten Eliots Freund Josh Hoberman – dem Dicken.
Quentin hatte das Abendessen größtenteils versäumt und setzte sich an den Tisch, als gerade das Dessert serviert wurde, das ganz zu diesem miesen Tag zu passen schien. Die Strafe für das Zuspätkommen wurde ihm erlassen. Doch er konnte einfach dieses dumpfe Gefühl nicht abschütteln – er sah seine Umgebung wie durch ein umgekehrtes Fernrohr und hörte sie wie durch ein an die Wand gepresstes Glas. Dabei hatte er immer noch nicht begriffen, worum es bei dem Kampf überhaupt gegangen war. Warum hatte Penny ihn geschlagen? Warum sollte ihn überhaupt irgendjemand schlagen? Warum schaffte man es nach Brakebills, nur um dann alles zu verderben, indem man sich wie ein Arschloch benahm?
Er sagte sich, dass er vielleicht etwas essen sollte, aber gleich der erste Bissen des mehlfreien Schokokuchens verwandelte sich in seinem Mund zu zähem Kleber, und er musste rennen, um noch rechtzeitig die Toilette zu erreichen, bevor er sich übergab. Und dann packte ihn ein starkes Gravitationsfeld und presste ihn grob und unerbittlich auf den schmierigen Toilettenboden, als hätte ihn ein Riese mit seiner starken Hand umgeworfen, der sich dann, als er weit genug unten war, mit seinem ganzen Gewicht auf ihn legte und ihn in die glatten, kühlen, dreckigen Fliesen hineinpresste.
Als Quentin erwachte, war es dunkel um ihn. Er lag im Bett, aber nicht in seinem eigenen. Er hatte Kopfschmerzen.
»Erwachen« war vielleicht auch zu viel gesagt. Sein Blick war unscharf und er war sich nicht ganz sicher, dass sein Gehirn keinen Schaden davongetragen hatte. Quentin wusste, dass es in Brakebills eine Krankenstation gab, aber er war noch nie dort gewesen. Er wusste nicht einmal, wo sie sich befand. Er war durch ein weiteres Geheimportal geschlüpft, diesmal in die Welt der Kranken und Verletzten.
Eine Frau untersuchte ihn. Eine hübsche Frau. Er konnte nicht erkennen, was genau sie tat, aber er spürte, wie ihre weichen, kühlen Fingerspitzen über seinen Schädel wanderten.
Er räusperte sich. Er hatte einen bitteren Geschmack im Mund.
»Sie sind die Sanitäterin. Sie waren die Sanitäterin.«
»Hmhm«, bestätigte sie. »Die Vergangenheit passt besser, denn das war eine einmalige Vorstellung. Obwohl ich zugeben muss, dass ich mich durchaus amüsiert habe.«
»Sie waren dort. An dem Tag, an dem ich hierhergekommen bin.«
»Ja, ich war da«, gab sie zu. »Ich wollte sichergehen, dass du es zu der Prüfung schaffst.«
»Was machen Sie hier?«
»Ich komme manchmal hierher.«
»Ich habe Sie hier noch nie gesehen.«
»Ich lege auch Wert darauf, nicht gesehen zu werden.«
Eine lange Pause folgte. Vielleicht war er wieder eingenickt. Aber sie war noch da, als er die Augen wieder öffnete.
»Schöne Frisur«, sagte er.
Sie trug keine Sanitäteruniform mehr und ihre dunklen Haare waren mit Essstäbchen hochgesteckt, so dass ihr kleines, wunderhübsches Gesicht besser zur Geltung kam. Sie hatte so jung ausgesehen, und sie hatte sich auch nicht verändert, aber er fragte sich, ob das keine Täuschung war. Sie besaß die Ernsthaftigkeit einer wesentlich älteren Frau.
»Die geflochtenen Zöpfe waren ein bisschen übertrieben«, befand sie trocken.
»Dieser Mann, der gestorben ist – was ist wirklich mit ihm passiert? Warum ist er gestorben?«
»Aus keinem besonderen Grund.« Eine steile Falte erschien zwischen ihren Augenbrauen. »Es war nicht vorgesehen, es ist einfach passiert. So was ist menschlich.«
»Ich habe schon befürchtet, es hätte irgendetwas mit meiner Anwesenheit dort zu tun gehabt.«
»Nun, dein Selbstwertgefühl ist jedenfalls unversehrt. Dreh dich mal auf den Bauch.«
Quentin gehorchte, und sie betupfte seinen
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