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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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Erstsemesterzauber ab, wobei sie ihn beobachtete und die Effektivität mit einer ganzen Batterie von Instrumenten maß. Sie ließ ihn eine Beschwörung vorlesen, während er neben einer großen Messinguhr mit sieben Zeigern stand, von denen einer mit beunruhigender Geschwindigkeit rückwärts lief. Sie seufzte tief. Mehrmals holte sie eingesunkene, schwere Folianten von hohen Regalen und studierte sie in langen, unbehaglichen Intervallen.
    »Sie sind ein interessanter Fall«, bemerkte sie.
    Die kleinen Demütigungen des Lebens nehmen wohl niemals ein Ende, dachte Quentin.
    Er sortierte Perlmuttknöpfe verschiedener Größen und Farben zu unterschiedlichen Haufen, wobei sie ihn in einem Spiegel beobachtete. Sie versuchte, ihn zu einem Nickerchen zu bewegen, damit sie in seine Träume eindringen konnte, aber er konnte nicht einschlafen. Also gab sie ihm einen pfefferminzigen, sprudeligen Schlaftrunk.
    Offenbar verrieten ihr seine Träume nicht mehr, als sie ohnehin schon wusste. Sie starrte ihn eine ganze Weile an, die Hände in die Hüften gestemmt.
    »Versuchen wir ein Experiment«, schlug sie schließlich mit gespielter Munterkeit vor. Sie strich eine Haarsträhne hinter das Ohr.
    Professor Sunderland durchquerte den Raum der Länge nach und schloss klappernd die staubigen Holzfensterläden, bis Dunkelheit herrschte. Dann räumte sie den herumliegenden Krempel von einem grauen Schiefertisch und setzte sich darauf. Sie zog den Rock über die Knie und bedeutete ihm, auf dem Tisch ihr gegenüber Platz zu nehmen.
    »Halten Sie Ihre Hände so«, sagte sie und hob die Arme, als wolle sie ein unsichtbares Orchester dirigieren. Undamenhafte Schweißflecken zeichneten sich halbmondförmig im Achselbereich ihrer Bluse ab. Quentin machte es ihr nach.
    Sie führte ihn durch eine Serie von Gesten, die ihm von Popper her vertraut waren, wenn er sie auch nie in einer solchen Kombination erlebt hatte. Sie flüsterte ein paar Worte, die ihm entgingen.
    »Und jetzt so.« Sie warf die Hände hoch über den Kopf.
    Als sie es tat, geschah nichts. Doch als Quentin ihrem Beispiel folgte, strömte ein Regen großer weißer Funken aus seinen Fingerspitzen. Es war erstaunlich – als wären sie sein Leben lang in ihm gewesen und hätten nur darauf gewartet, dass er seine Hände auf die richtige Weise hochwarf. Sie sprangen fröhlich durch die Dunkelheit bis hinauf zur Decke und schwebten dann feierlich herunter. Wenn sie auf dem Boden auftrafen, prallten sie noch ein paar Mal ab und erloschen dann endgültig. Quentins Hände fühlten sich warm und kribbelig an. Die anschließende Erleichterung war fast unerträglich. Er wiederholte die Prozedur, aber diesmal sprühten nur noch wenige, schwächere Funken hervor. Er beobachtete sie dabei, wie sie um ihn herum herunterrieselten. Beim dritten Mal kam nur noch ein Funke.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte er.
    »Ich habe keine Ahnung«, antwortete Professor Sunderland. »Ich werde Sie als Unbestimmt eintragen und nächstes Jahr versuchen wir es noch einmal.«
    »Nächstes Jahr?« fragte Quentin und sah mit wachsender Enttäuschung zu, wie sie vom Tisch sprang und die Fensterläden einen nach dem anderen wieder öffnete. Er kniff die Augen zusammen, als das Sonnenlicht hereinströmte. »Was meinen Sie damit? Was soll ich denn bis dahin machen?«
    »Warten«, antwortete sie. »So etwas kommt vor. Überhaupt wird dieser Festlegung zu viel Bedeutung beigemessen. Seien Sie ein Schatz und schicken Sie den Nächsten herein, ja? Wir sind schon spät dran, dabei ist es erst Mittag.«
     
    Der Sommer schleppte sich in Zeitlupe dahin. Natürlich war es außerhalb von Brakebills bereits Herbst, und das Brooklyn, in das Quentin zurückkehrte, war kalt und grau. Auf den Straßen lagen nasse braune Blätter und zerquetschte Ginkosamenkugeln, die nach Kotze stanken.
    Wie ein Gespenst wanderte er durch sein Elternhaus. Es kostete ihn erhebliche Willenskraft, vor seinen Eltern zu erscheinen, die stets milde erstaunt wirkten, wenn ihr Geistersohn ihre Aufmerksamkeit forderte. James und Julia waren weg auf dem College, also unternahm Quentin lange Spaziergänge. Er besuchte den verzweigten, winkeligen Gowanus-Kanal, dessen grünes Wasser ausgelaufener Klimaanlagenflüssigkeit ähnelte. Er übte Basketballwürfe auf verlassenen Plätzen mit fehlenden Netzen und Regenwasserpfützen in den Ecken. Durch die Herbstkälte fühlte sich der Ball leblos und schwerfällig an. Er wechselte oberflächliche E-Mails mit

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