Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
Vom Netzwerk:
blasierten Freunden, dann geschah es denen ganz recht.
    Sie mussten sich beeilen, denn bald ging die Sonne unter. Sie war bereits stumpf und kupferfarben geworden, und in wenigen Minuten würde sie mit der Unterkante die Baumwipfel auf der anderen Seite der Heuwiese berühren. Schon nahte die frühherbstliche Abendkühle. Im Haus flackerten bereits gelbliche Lichter. Quentin hörte – oder war es nur Einbildung? – das Plopp! eines Korkens, der aus einer Flasche gezogen wurde.
    Beide Arme über den Kopf erhoben, leicht zurückgeneigt, als trüge sie einen großen, unsichtbaren Korb auf dem Kopf, hatte Alice das magische Äquivalent einer überdimensionalen Lupe konstruiert. Ihre Arme bildeten einen kleinen Ausschnitt dieser kreisförmigen Linse. Die Oberkante befand sich in Höhe des Buchenwipfels, höher als der Schornstein des Cottages. Quentin konnte die Kante der Linse nur als Flimmerbogen in der Luft erkennen. Der Mittelpunkt war zu hell, um hinzusehen.
    Alice stand etwa fünfzig Fuß von der Tür entfernt. Quentin stand näher dran, etwas seitlich, schützte mit einer Hand seine Augen und rief ihr Kommandos zu.
    »Höher! Okay, langsam! Ein bisschen mehr! Weiter, weiter! Ja, jetzt bist du genau richtig!«
    Quentin spürte die Hitze des gebündelten Sonnenlichts im Gesicht und roch den würzig-süßlichen Geruch von Holzfeuer, begleitet von einem beißenden Gestank nach versengter Farbe. Die Tür war definitiv hitzeempfindlich. Sie hatten befürchtet, dass das Sonnenlicht bereits zu schwach wäre, aber Alice’ Zauber brannte eine schöne tiefe Furche ins Holz. Sie hatten beschlossen, die Tür quer zu durchtrennen. Zwar ging die Furche noch nicht ganz durch, aber bald musste es geschafft sein. Das Problem war, dass Alice nicht besonders gut zielte. Sie war schon einmal abgedriftet und hatte ein Loch in die Wand gebrannt.
    »Ich komme mir blöd vor!«, rief Alice. »Geht es voran?«
    »Ja, sieht gut aus!«
    »Mein Rücken tut weh! Haben wir es bald geschafft?«
    »Fast!«, log er.
    Als nur noch wenige Zentimeter fehlten, erweiterte Alice den Radius, um das schwächer werdende Sonnenlicht zu kompensieren. Sie flüsterte vor sich hin, aber Quentin war sich nicht sicher, ob es Zauberformeln oder Flüche waren. Er stellte fest, dass sie beobachtet wurden: Einer der älteren Professoren, ein sehr aufrechter, weißhaariger Mann namens Brzezinski, der auf Zaubertränke spezialisiert war und dessen Hosen ewig von dubiosen Flecken bedeckt war, hatte seinen Abendspaziergang unterbrochen, um ihnen zuzusehen. Vor einer halben Ewigkeit hatte er Quentin bei der Prüfung Knoten zum Lösen gegeben. Er trug Strickjacken, rauchte Pfeife und erinnerte an einen IBM-Ingenieur aus den 1950er Jahren.
    Scheiße, dachte Quentin. Sie würden auffliegen.
    Aber Professor Brzezinski nahm nur die Pfeife aus dem Mund und befahl barsch: »Macht weiter!« Dann drehte er sich um und kehrte zum Haus zurück.
    Innerhalb von zehn Minuten hatte Alice eine Furche quer über die Tür gezogen. Sie ging noch einmal drüber. Die Furche glühte rot.
    Als sie fertig war, ging Quentin zu ihr hinüber.
    »Du hast Asche im Gesicht«, bemerkte sie und fuhr ihm mit dem Zeigefinger über die Stirn.
    »Vielleicht sollten wir noch mal drübergehen, weißt du, nur zur Sicherheit.« Wenn das nicht half, wusste er auch nicht mehr weiter, und er hatte keine Lust, die ganze Nacht hier draußen zu verbringen. Andererseits wolle er auch nicht erfolglos zum Haus zurückkehren.
    »Das Licht ist zu schwach«, entgegnete sie. Sie sah erschöpft aus. »Zum Schluss war die Linse eine Viertelmeile groß. Ab dann verliert sie an Kohärenz und löst sich an den Rändern auf.«
    Eine Viertelmeile? Quentin fragte sich, wie mächtig sie war.
    Ihm knurrte der Magen. Die Dämmerung war hereingebrochen und der Himmel wölbte sich dunkelblau über ihnen. Sie starrten die zerfurchte, geschwärzte Tür an. Sie sah schlimmer aus, als er gedacht hatte – Alice war beim zweiten Durchgang ab und zu abgeschwenkt, so dass an manchen Stellen zwei Kerben entstanden waren. Wenn sie einen Fehler gemacht hatten, würde Eliot ihn umbringen.
    »Soll ich versuchen, sie einzutreten?«
    Alice verzog den Mund zu einer Seite. »Und wenn jemand dahintersteht?«
    »Was schlägst du vor?«
    »Ich weiß nicht.« Sie zupfte an einem der verbrannten Teile, die bereits abgekühlt waren. »Ich glaube, wir sind fast durch.«
    An der Tür hing ein alter Eisenklopfer in Form einer Hand, die eine Kugel hielt. Der

Weitere Kostenlose Bücher