Fillory - Die Zauberer
aussah. Mit seiner breiten, runden Gestalt passte er nie richtig in die Jacketts hinein – sie waren immer verzogen, knittrig oder zu eng um die Schultern. Seine ganze Persönlichkeit glich einem ausgeklügelten Witz, den er pausenlos erzählte. Quentin brauchte eine Weile, bis er erkannte, dass Josh erwartete, von seiner Umgebung nicht ernst genommen zu werden. Umso mehr genoss er den Moment – allerdings nicht immer auf eine nette Art –, wenn die anderen zu spät bemerkten, wie sehr sie ihn unterschätzt hatten. Da er nicht so egozentrisch wie Eliot und Janet war, war er der schärfste Beobachter der Gruppe. Ihm entging kaum etwas, was in seiner Umgebung geschah.
Er erzählte Quentin, er habe seit Wochen darauf gewartet, dass Penny ausrasten würde.
»Was meinst du denn? Der Kerl war ein Geheimnis, verpackt in ein Rätsel, und hat sich dann selbst zu einer verdammten tickenden Zeitbombe hochgeschaukelt. Er musste entweder irgendwann zuschlagen oder einen Blog starten. Ich muss sagen, irgendwie bin ich froh, dass er dich geschlagen hat.«
Im Gegensatz zu den anderen Physikern war Josh ein mittelmäßiger Schüler, aber wenn er einmal eine Fähigkeit erworben hatte, war er ein äußerst machtvoller Zauberer. Es dauerte ganze sechs Wochen, bis er es schaffte, seine Murmel mit Hilfe von Magie zu bewegen, aber als es dann so weit war – so erzählte Eliot –, sauste sie durch das Fenster des Unterrichtsraumes und bohrte sich tief in den Ahornbaum draußen, wo sie vermutlich noch immer steckte.
Janets Eltern waren Rechtsanwälte der exklusiven Hollywood-Berater-Liga und kolossal reich. Sie war in L.A. aufgewachsen und hatte zahlreiche Prominente als Babysitter gehabt, deren Namen sie unter Druck – unter nicht sehr starkem Druck – auch nannte. Quentin nahm an, dass dort die Wurzeln für ihr lebhaftes, etwas dramatisches Auftreten lagen. Sie war die Auffälligste in ihrer Gruppe, laut und brüsk. Ständig wollte sie beim Abendessen auf irgendetwas anstoßen. Was Männer anging, hatte sie jedoch einen schrecklich schlechten Geschmack. Das Positivste, was man über die endlose Reihe ihre Freunde sagen konnte, war, dass sie keinen von ihnen lange gehabt hatte. Sie war nicht direkt schön, aber hübsch. Sie war dünn und flachbrüstig, aber sie machte etwas aus sich. Sie schickte ihre Uniformen nach Hause, damit sie nach Maß für sie umgeschneidert wurden, und ihr eindringlicher Blick aus den fast zu weit aufgerissenen Augen hatte etwas vibrierend Erotisches. Als Mann bekam man automatisch Lust, dieses Etwas zu erforschen und davon verschlungen zu werden.
Janet war als Person so ziemlich das Strapaziöseste, was man sich vorstellen konnte, dabei aber trotzdem eine gute Freundin. In ihrer Gesellschaft war Quentin niemals langweilig. Sie war leidenschaftlich loyal. Kratzbürstig war sie nur, weil sie eine so zarte Seele hatte und sehr sensibel war. Wenn man sie verletzte, fuhr sie eben die Krallen aus. Sie quälte alle in ihrer Umgebung, aber nur, weil sie gequälter war als alle anderen.
Obwohl er nun ein Physiker war, verbrachte Quentin nach wie vor den größten Teil seiner Zeit mit den Kommilitonen des Dritten Studienjahrs. Er nahm zusammen mit ihnen am Unterricht teil, arbeitete mit ihnen in P.Ü., büffelte für die Prüfungen mit ihnen und saß mit ihnen beim Essen. Der Irrgarten war während des Sommers umstrukturiert und neu angelegt worden – wie übrigens jeden Sommer, so erfuhr Quentin –, und sie verbrachten mindestens eine Woche lang jeden Nachmittag damit, den Weg hindurch neu zu erlernen. Sie riefen einander über die hohen Hecken hinweg zu, wenn sie sich verlaufen oder eine besonders nützliche Abkürzung gefunden hatten.
Anlässlich der Tag- und Nachtgleiche im Herbst feierten sie eine Party. In Brakebills existierte insgeheim eine gewisse Affinität zum Hexenkult, obwohl ihn kaum einer ernst nahm außer den Botanikern. Sie zündeten ein großes Feuer an, flochten einen Weidenmann, und die Illusionisten entzündeten ein Feuerwerk. Alle blieben viel zu lange draußen. Die Nasen liefen in der kalten Herbstluft und die Gesichter waren rot und erhitzt vom Feuer. Alice und Quentin brachten den anderen das Flammenformen bei und ernteten damit großen Erfolg. Amanda Orloff gestand, dass sie in den letzten Monaten heimlich ein Fass Met gebraut habe. Er war süß, prickelnd und ekelhaft. Alle tranken viel zu viel davon und fühlten sich am nächsten Tag wie tot.
In diesem Herbst
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