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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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hatte, war bereit zu warten. Quentin wartete ebenfalls. In der vorbereitenden Lektüre hatte etwas darüber gestanden. Und er hatte es gelesen, das war ja gerade das Ungerechte daran.
    Der Moment zog sich endlos in die Länge. Quentin lief puterrot an. Es ging hier nicht einmal um Zauberei, sondern um Meteorologie.
    »Ich verstehe das nicht …«, sagte eine Stimme aus dem Hintergrund.
    »Ich habe Quentin gefragt, Amanda.«
    »Aber vielleicht könnten Sie uns etwas erklären?« Es war Amanda Orloff. Sie insistierte, mit der rücksichtslosen Munterkeit einer, die akademische Glaubwürdigkeit im Überfluss besaß. »Uns allen? Die Frage ist nämlich, ob es barotropische Zyklone sind oder nicht. Ich finde das etwas verwirrend.«
    »Sie sind alle barotropisch, Amanda«, antwortete March entnervt. »Die Frage ist irrelevant. Alle tropischen Zyklone sind barotropisch.«
    »Ich dachte, der eine wäre barotropisch, der andere baroklinisch«, warf Alice ein.
    Die daraus entstehende allgemeine Diskussion wurde so hohl und zeitraubend, dass March gezwungen wurde, von Quentin abzulassen und fortzufahren, wollte er nicht Gefahr laufen, den roten Faden des Seminars zu verlieren. Wenn er es unauffällig hätte tun können, wäre Quentin nach hinten zu Amanda Orloff geeilt und hätte sie auf ihre breite, uneingecremte Stirn geküsst. Stattdessen begnügte er sich damit, ihr einen Luftkuss zuzuhauchen, als March einmal nicht hinsah.
    March hatte zu einer langatmigen Zauberformel angesetzt, zu der er ein hochkompliziertes, Mandala-ähnliches Symbol an die Tafel zeichnete. Alle dreißig Sekunden hielt er inne, trat zurück bis an den Rand der Empore, die Hände auf den Hüften, leise Selbstgespräche führend, dann zeichnete er weiter. Der Zweck der Zauberformel war ziemlich profan – entweder sie garantierte Hagel oder verhinderte ihn, eines von beiden. Quentin hörte nicht richtig zu, und außerdem war das Prinzip sowieso ziemlich dasselbe.
    Egal wie, Professor March hatte damit zu kämpfen. Die Formel musste in einem sehr sauberen und genauen Mittelniederländisch gesprochen werden, das offenbar nicht seine Stärke war. Quentin dachte sich plötzlich, wie amüsant es doch wäre, wenn er einen Fehler machte. Er war nicht gerade begeistert darüber gewesen, nur wegen technischer Haarspaltereien so früh aus den Federn zu müssen. Er überlegte, ob er sich dafür nicht ein wenig revanchieren sollte.
    Die Unterrichtsräume in Brakebills waren gegen die meisten Streiche imprägniert, aber es war wohlbekannt, dass das Podium der wunde Punkt eines jeden Dozenten war. Man konnte nicht viel daran ändern, aber die umgebenden Schutzmechanismen waren nicht ganz so ehern. Mit etwas Anstrengung und ein wenig solidem Englisch konnte man es geringfügig hin- und herschieben. Vielleicht würde er damit den strengen Professor March ein bisschen aus dem Konzept bringen. Quentin vollführte einige knappe Handbewegungen unter seinem Pult, zwischen den Knien. Das Podium dehnte sich ein wenig, als hätte es einen steifen Rücken, dann stand es wieder reglos da. Geschafft.
    March leierte seine mittelniederländische Beschwörung herunter. Seine Aufmerksamkeit wurde für einen Moment durch das Podium abgelenkt, als er dessen Bewegung spürte. Er zögerte kurz, fand seine Konzentration wieder und fuhr fort. Musste er auch, wenn er die ganze Formel nicht noch einmal von vorne beginnen wollte. Quentin war enttäuscht. Doch die unfehlbare Alice lehnte sich nach vorn.
    »Idiot!«, sagte sie. »Er hat die zweite Silbe ausgelassen. Er hätte sagen müssen …«
    Genau dann, nur für einen Moment, sprang der Film der Realität von der Spule ihres Projektors. Alles wurde krumm und schief und richtete sich dann wieder gerade, als sei nichts geschehen. Nur dass, wie bei einem Kontinuitätsfehler in einem Film, plötzlich ein Mann hinter Professor March stand.
    Er war ein kleiner Mann, konservativ gekleidet in einen tadellosen grauen, englischen Anzug mit kastanienbrauner Krawatte, die von einer Nadel mit silbernem Halbmond fixiert wurde. Professor March redete weiter und schien gar nicht zu bemerken, dass er da war – der Mann sah die Studierenden mit hochgezogenen Augenbrauen an, als heckten sie einen gemeinsamen Streich auf Kosten des Lehrers aus. An der Erscheinung des Mannes war etwas Seltsames – irgendwie konnte Quentin sein Gesicht nicht richtig ausmachen. Zuerst wusste er gar nicht, warum, und erkannte dann, dass es an einem kleinen, belaubten Zweig

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