Film ab im Internat
jüngere Halbbrüder hat, für ihr Leben gerne Gummibärchen isst – „aber nur die weißen, die sind am leckersten!“ –, und sogar, dass ihre Mutter ein mutiertes Nilpferd geheiratet hat, obwohl sie doch vorher mit ihrem ersten Ehemann, Carlottas Papa, einem echt coolen Typen, zusammen war.
Dass sie dabei die ganze Zeit gefilmt wird, stört sie kein bisschen. Ihr Vater filmt oft zu Hause, und so viel anders ist das hier auch nicht. Sie achtet überhaupt nicht mehr auf die Scheinwerfer und die Kamera, sondern spricht einfach vor sich hin, was ihr gerade in den Sinn kommt, während sie aus dem Fenster schaut und eine kleine Blaumeise beobachtet, die an einem Baumstamm herumpickt.
„Und übrigens will ich eigentlich gar nicht zum Film“, beendet sie ihren Monolog. „Ich bin nur hier, weil meine Freundin Manu unbedingt diesen Tiertrainer kennenlernen möchte. Sie wissen schon, den, der diesen Superhund Bella abrichtet. Also, wenn Sie mir einen Gefallen tun wollen, nehmen Sie meine Freundin. Sie heißt Manuela Bernberg und hat die Startnummer 115.“
Die Meise hört auf zu picken und fliegt davon.
Carlotta wendet ihr Gesicht wieder der Jury zu. „War’s das jetzt?“
Die beiden Männer am Tisch sehen aus, als könnten sie nur mit Mühe einen Lachanfall unterdrücken.
Carlotta kennt diesen Gesichtsausdruck gut; schließlich geht es ihr manchmal ganz ähnlich. Aber hat sie irgendetwas Witziges gesagt? Eigentlich nicht, oder?
Die Frau räuspert sich. „Danke, Carlotta. Wir melden uns bei dir.“
„Nicht nötig“, sagt Carlotta und steht auf. „Trotzdem vielen Dank. Und tschüss!“
„Auf Wiedersehen.“
„Ach, noch was …“ Carlotta zeigt auf die Kamera. „Was passiert eigentlich mit den Aufnahmen?“
„Wir werten sie in Ruhe aus und treffen unsere Auswahl“, erklärt einer der Männer, deren Namen Carlotta partout nicht mehr einfallen wollen. „Die, die wir nicht mehr benötigen, werden gelöscht.“
„Okay“, sagt Carlotta und winkt. „Noch mal tschüss!“
Sie schlüpft durch die Tür, schließt sie hinter sich und grinst.
Das war gar nicht so schlimm wie erwartet. Im Gegenteil, es hat tatsächlich Spaß gemacht. Wer hätte das gedacht?
Zwanzig Minuten später sind Manu und Sofie auch mit dem Vorsprechen fertig. Bei Manu hat es etwas länger gedauert, weil sie den Filmleuten erst mal die Welt erklären musste, wie sie behauptet. Sie klatschen sich ab.
„War voll locker, oder?“, meint Manu.
Carlotta und Sofie nicken.
„Und was machen wir jetzt?“, fragt Sofie.
Carlotta schaut auf die Uhr, die über dem Empfangstresen hängt. Es ist bereits früher Nachmittag. „Lasst uns ein bisschen durch die Stadt bummeln und irgendwo ein Eis essen“, schlägt sie vor. „Wir haben bis zum Abendbrot Ausgang. Das sollten wir ausnutzen, findet ihr nicht?“
„Bien sûr“, nickt Sofie.
„Aber unbedingt!“, stimmt Manu zu.
Erst am späten Nachmittag beenden sie ihren gemütlichen Bummel durch die kleine Stadt und gehen zum Busbahnhof, der ihnen merkwürdig verwaist vorkommt. Sind die anderen tatsächlich alle direkt nach dem Casting wieder nach Hause gefahren? Es scheint so.
Carlotta studiert den Fahrplan.
„So ein Mist!“, schimpft sie. „Vor fünf Minuten ist ein Bus Richtung Schloss gefahren. Der nächste fährt erst in über einer Stunde.“
„Dann kommen wir zu spät zum Abendessen“, murrt Manu.
„Musst du immerzu ans Essen denken?“, stöhnt Sofie.
„Woran denn sonst?“, erwidert Manu.
„Nun fangt bloß nicht an zu streiten“, mischt Carlotta sich ein. „Das hilft uns auch nicht weiter. Ich fürchte, wir müssen zu Fuß gehen.“
„Was!? Das sind acht Kilometer! Hast du sie noch alle?“ Manu macht ein Gesicht, als hätte Carlotta sie aufgefordert, kopfüber vom Bieneburger Rathausturm zu springen.
„Besser, als hier doof rumzustehen, ist es allemal“, gibt Carlotta zurück.
„Und wir wären vielleicht sogar pünktlich zum Abendbrot im Schloss“, meint Sofie.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hält ein roter Kombi. Der Fahrer drückt auf die Hupe.
Die Mädchen schauen hinüber. Carlotta runzelt die Stirn. „Ich glaub, das ist das Auto von Jonas’ Eltern.“ Ihre Miene erhellt sich. „Hey, das ist unsere Chance! Kommt, schnell!“
Sie packt Manu und Sofie links und rechts an ihren Ärmeln und zieht sie mit sich.
„Hallo, ihr drei“, sagt Frau Blum, Jonas’ Mutter, fröhlich. „Ihr seht aus, als könntet ihr eine Mitfahrgelegenheit
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