Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman
lege mich knirschend auf den Rücken und schließe minutenlang die Augen.
Höre wieder Schritte, sehe erneut Schuhe.
Geht das jetzt schon wieder los? Also so langsam …
Nein, diese Zehennägel erkenne ich sofort. Sie schleifen beim Gehen über den Asphalt. Und daneben die Kniestrümpfe.
Das Pennerpärchen hilft mir wortlos und gegen meinen Willen auf die Beine. Ich wollte mich eigentlich noch etwas ausruhen und fühle mich wie eine Oma, die ohne es zu wollen auf die andere Straßenseite geschleppt wird. Bedanke mich trotzdem artig.
Ich schleiche nach Hause und bin froh, dass ich in diesem Zustand keinem Nachbarn über den Weg laufe. Bin klatschnass und tropfe das Treppenhaus hellrosa voll.
Ein Schnitt am linken Unterarm muss geflickt werden, ich schenke mir einen fünffachen Wodka ein. Das Nähen ist schwierig, die Tagesration
Aspirin
gegen den Kater lässt mich bluten wie ein Schwein. Ich nähe nach Gefühl. Aua. Die Naht wird krumm und schief, zum Glück machen mich Narben noch attraktiver.
Mehr Sorgen bereiten mir da schon diese schwachsinnigen Vergewaltigungsvorwürfe. Mittels Ausschlussverfahren wird mir klar, dass ich diese Elvira in irgendeiner Bar in Frankfurt kennen gelernt haben muss.
Mein Handy reißt mich aus den Grübeleien. Das Display ist blutverschmiert, ich kann kaum erkennen, wer mir schreibt, freue mich aber, dass das Telefon überhaupt noch funktioniert.
Es ist meine Ex-Affäre Nadja, bei der ich neulich aufgewacht bin. Sie will kommendes Wochenende mit mir in die
Pik Dame
. Ich hätte schließlich erzählt, wie toll es letzte Woche dort gewesen sei, meint sie.
Ja, super war es dort, wie der Rest der Nacht! Kann mich zwar kaum dran erinnern und hatte Sex mit einer Frau ohne Gesicht, aber ansonsten alles prima.
Ich muss sekundenlang grinsen — bis mir klar wird, dass die Frau ohne Gesicht Elvira heißt und mindestens die halbe Welt glaubt, dass ich diese Frau vergewaltigt habe.
6. Sina
Nach einer unruhigen Nacht versuche ich am frühen Montagmorgen, Elvira im Internet zu finden. Was sollte sich dafür besser eignen als
Facebook
— Datenkrake und Teufel in Community-Gestalt für jeden Datenschützer!
Einen Typen aus Halils Umfeld kenne ich flüchtig, fällt mir ein. Er ist nicht unter meinen
Facebook
-Freunden, aber schnell zu finden. Seine Freundesliste ist öffentlich zugänglich, Halil dort schnell ausgemacht. Glatze, Kampfhund im Arm, sympathisches Foto. Auch Halils Freunde kann ich sehen, nette Mischpoke — und tatsächlich: Es gibt dort eine Elvira. Ich klicke ihr Profil an, als sich die Seite aufbaut wird mir heiß. Entweder Wundstarrkrampf von gestern oder pure Nervosität. Augenblicke später lächelt die Frau ohne Gesicht mich freundlich an. Elvira. Tatsächlich. Sie kommt mir durchaus vertraut vor. Eine exotische Mittzwanzigerin mit großen dunklen Augen und langen schwarzen Haaren.
Über
Facebook
kontaktieren kann ich sie nicht, diese Funktion hat sie für User, die nicht mit ihr befreundet sind, deaktiviert. Ich google ihren vollen Namen sorgfältig nach Mailadressen oder anderen Kontaktmöglichkeiten. Nichts. Verdammt.
Letzte Möglichkeit: Ich könnte ihr ein Freundschaftsangebot bei
Facebook
schicken.
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, also gut, was hab ich schon zu verlieren!
Mit Elvira hatte ich irgendwann in der fraglichen Nacht Sex. Dafür spricht alles und das spüre ich auch, wenn ich ihr Foto anschaue. Aber so sehr ich es versuche, ich kann mich nicht erinnern wo, wann und wie.
Nur zwei Bilder habe ich noch im Kopf: Fellatio und A Tergo, verwaschene Hirnfotos, das ist alles. Was sie zeigen, ist kaum zu erkennen, sie sind fast komplett schwarz. So als wäre ein Fass Tusche über einem Pornoheft ausgelaufen. Was für ein Magazin das war, harmloses Schmuddelheftchen oder Gewaltporno — keine Ahnung. Was da genau gelaufen ist und ob an den Vorwürfen was dran ist, kann im Moment eigentlich nur diese Elvira wissen …
Moment mal. Jetzt fange ich ja selbst schon so an.
Ich ein Vergewaltiger?
Was für ein Film läuft hier denn eigentlich?
Ich lasse mir doch nicht von irgendwelchen Knilchen einreden, dass ich ein Mädchen vergewaltigt habe!
Was lasse ich mir dann als Nächstes bieten?
Da kann ja jeder kommen!
Ist das mein von der Gesellschaft eingeimpftes schlechtes Gewissen, nur weil ich gern trinke und es dann nicht immer schaffe, keusch zu bleiben? Weil ich in
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