Filmriss
wie viele, er ist außerdem ein superschlechter Angeber, das Schrecklichste überhaupt. Ich musste plötzlich gähnen wie bekloppt, aber dann hat er es doch geschafft, mich hellwach zu kriegen: »Wir könnten ja noch was zusammen trinken?« Ich glaube, dabei sah er mich zum ersten Mal an diesem Morgen richtig an. »Ich lad dich ein.«
»Okay. Aber ich hab nicht lange Zeit. Muss gleich noch zur Schule. Hab jetzt Freistunde.«
»Aha«, sagte er betont langsam. »Freistunde.« Als wir zum Bistro in der oberen Etage gingen, grinste er breit. »Zu meiner Zeit hieß das ›schwänzen‹.«
Und schon hat er mich wieder nur noch genervt. »Zu seiner Zeit«! Als wäre der hunderttausend Jahre alt und zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg zur Schule gegangen. Aber im Gegensatz zu mir hatte er Geld dabei. Also bin ich weiter neben ihm hergelatscht, als wäre er mein bester Freund.
Im Vorbeigehen bestellte er bei der Kellnerin zwei Cola, ohne mich vorher zu fragen, der Idiot.
»Nee«, sagte ich schnell. »Ich mag keine Cola.«
»Was denn sonst? Willst du ’nen Kaffee?« Er schien verdattert.
»Ich guck mal in die Karte«, meinte ich zur Kellnerin und steuerte einen Tisch ganz hinten beim Fenster an, wo man runterschauen kann auf die Haltestellen, wo immer jede Menge los ist.
»Mist. Hier kann man ja wieder nicht rauchen.«
»Im Glaskasten da vorne«, antwortete ich. »Kannst ja gleich reingehen. Aber lass uns erst bestellen.«
Dieser Glaskasten ist so klein wie eine Knastzelle, fehlen nur die Gitterstäbe.
»Magst du Caipirinha?«, fragte ich.
»Nee, ich mag nur Bier. Oder Schnaps. Willst du? Kein Problem.« Dann winkte er die Kellnerin ran.
Ich sagte ihm, dass das natürlich ein Problem sei, weil ich noch keine achtzehn sei. »Die dürfen mir so was gar nicht bringen.«
»Stimmt.« Weiter fiel ihm dazu nichts ein.
»Bestell du dir doch einen«, schlug ich vor.
»Ä h …«
»Wenn sie wieder weg ist, trink ich.«
Ich zwinkerte ihm tatsächlich zu, das war mehr so ein Reflex. »Aber ich will Bier.« Das hörte sich trotzig an.
»Mach dir keine Sorgen«, meinte ich. »Du kriegst dein Bier. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es verboten ist, mehr als ein Getränk zu bestellen.«
»Aber Bier kriegst du hier auch nicht«, sagte er entschieden.
»Du bestellst beides für dich. Ist garantiert erlaubt.«
»Ein Bier und einen Caipi für mich«, sagte er zur Kellnerin. Das sollte wohl überlegen klingen, aber es kam ziemlich lächerlich rüber, weil man ihm die Selbstgefälligkeit überdeutlich anhörte. »Und für die Lady hie r …«
Auch das noch: Lady!
»Ach, einen Milchkaffee bitte.«
Die Kellnerin grinste, als wüsste sie Bescheid.
19
Friedas Tagebuch
Der Caipi hat echt super geschmeckt und auch super gewirkt, fast wie Medizin. Alles schien plötzlich viel einfacher zu sein, das Leben machte wieder Spaß.
Blöd war nur, dass das Glas so verdammt schnell leer war. Zum Glück hat Karsten gleich nachbestellt: für sich selbst noch ein Bier, für mich noch einen Caipi.
»Warst du schon mal im Süden?« Plötzlich wollte ich mit Karsten reden. »Nicht in Bayern, ich meine Italien, Spanie n …«
»Klar. Zweimal auf Malle, mit ein paar Kumpels. Und du?«
»Auf Mallorca war ich noch nicht, aber früher hab ich mit meinen Eltern jedes Jahr einmal weiter weg Urlaub gemacht. Zum Beispiel in Ägypten. Da wär ich jetzt auch gern. Palmen, Strand, Wellen, Sonn e …«
Ich zog ganz lange an meinem Strohhalm, um mir die Postkartenbilder noch besser vorstellen zu können. Hat auch gut geklappt. Immer wenn ich für einen Moment die Augen zumachte, lag ich am Mittelmeerstrand in der Sonne. Das Problem war: Als ich sie wieder aufmachte, hockte ich noch immer mit Karsten im Passagen-Bistro im grauen deutschen Norden. Da half nur eines: gleich den nächsten Schluck nehmen.
Nach und nach fand ich Karsten nicht mehr ganz so blöd. Immerhin war er großzügig, und überhaupt gibt es jede Menge Typen, gegen die Karsten der reinste Sonnyboy ist. Man darf nur nicht so genau hingucken, das ist alles. Und wenn man nicht so genau hinhört, ist er auch echt nett. Er schwärmte von irgendwelchen Partys, die er auf Mallorca gefeiert hat.
Nach einer Weile versuchte ich einen Überraschungsangriff. »Was ist das eigentlich für eine Sache zwischen Marlon und dir?«
Karsten schien nicht gleich zu verstehen und sah mich verwirrt an.
»Was verbindet euch? Woher kennt ihr euch eigentlich?«, half ich nach.
»Wir sind
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