Filmriss
macht er andauernd.
»Ist noch was?«
»Nee, wieso?«
Er stieg dann auch brav ins Auto und startete den Motor. Beim Losfahren hupte er ewig lange, der Blödmann. Als ob wir ein Liebespaar wären, das sich schweren Herzens trennt. Ich fass es nicht! Ich war froh, als ich an der Haustür ankam.
Auch später war mir immer noch hundeelend. Ein klitzekleiner Schluck, dachte ich, würde mir helfen. Wie eine Vitaminspritze, wenn man sich schlapp fühlt. Also ging ich zum Wohnzimmerschrank und nahm eine Flasche Whiskey aus dem Barfach, drehte den Verschluss auf und schnupperte. Es roch ziemlich scharf, aber ich probierte trotzdem einen kleinen Schluck. Das Gesöff schmeckte dann doch edler, als es gerochen hatte. Nicht zu vergleichen mit eisgekühltem Caipi zwar, aber besser als nichts.
Ich schenkte mir ein halbes Glas ein. Die Flasche wollte ich mit etwas Wasser auffüllen. Fehlte ja auch nicht wirklich viel. Langsam ging es mir ein bisschen besser.
Das Glas war ratzfatz leer. Ich kippte nach, ließ Leitungswasser in die Flasche laufen und stellte sie an exakt dieselbe Stelle zurück, an der sie vorher gewesen war. Auf so was achtet mein Dad. Im letzten Moment hab ich dann zum Glück noch bemerkt, dass jetzt mehr in der Flasche drin war als vorher.
Auch nicht gut. Das fällt auf. Blitzschnell setzte ich die Flasche noch mal an. Jetzt sah es schon viel besser aus. Auf dem Weg in die Küche merkte ich, dass ich torkelte. Einmal musste ich mich mit der Hand an der Wand abstützen.
Ich pflanzte mich auf einen Küchenstuhl, das halb volle Glas in der Hand, und starrte es an, als hätte ich sie nicht mehr alle. Schlagartig wurde mir stockschlecht und ich brachte nichts mehr runter. In meinem Bauch brannte und drückte es. Auf einmal wollte ich nur noch ins Bet t – und das Zeug in den Abfluss kippen, wo es hingehörte. Dann tat es mir plötzlich doch wieder leid um den guten Sprit. Spontan kippte ich ihn statt in die Spüle in meinen Hals.
Während der nächsten Stunden wollte ich nur noch kotzen. Ich dachte, dass es mich erleichtern würde, aber es ging einfach nicht. Ich war wie mit einem dicken Strick von innen zugeschnürt.
Am Ende hing ich über der Kloschüssel und schob mir den Finger so tief in den Hals, dass ich dachte, er müsste hinten wieder rauskommen. Vom Würgen tat mir schon der Hals weh, aber ich schaffte es nicht. Mir wurde schwarz vor Augen. Es war, als ob ein Licht nach dem anderen in mir ausginge .
Als ich wieder aufwachte, hing ich noch immer über der Kloschüssel, nass geschwitzt und zitterig. Wenigstens konnte ich jetzt losheulen. Mit letzter Kraft schleppte ich mich ins Bett.
20
»Wie wäre es«, fragt am Abend mein Vater und lächelt, »wenn wir mal wieder zusammen ins Kino gehen?«
»Wir beide?«
Ich finde, Kino gehört zu den am meisten überschätzten Dingen im Leben. Ab und zu eine DVD reicht völlig. Das heißt, mit Marlon würde ich schon mal gern ins Kino gehen, aber er hat überhaupt keine Lust dazu. Weil man mit dem Bus in die Stadt so lange unterwegs ist.
»Wer denn sonst?«, sagt mein Vater.
Ich wüsste nicht, wann wir das letzte Mal zusammen im Kino waren. Wahrscheinlich war ich da fünf Jahre alt und der Film die Kindervorstellung am Sonntagnachmittag. Aber jetzt bin ich fünfzehn und es geht auf Freitagabend zu. Mein Vater merkt, dass ich nicht gerade begeistert bin. Eine gute Schauspielerin war ich noch nie.
»Oder wir gehen Pizza essen«, schlägt er vor und mir wird klar, dass er eine Idee nach der anderen auspackt, eben weil es Freitag ist und weil es auf den Abend zugeht.
»Na, was sagst du? Ich muss dir übrigens auch noch was erzählen.« Er strahlt mich an, und ich bringe es einfach nicht fertig, ihm einen Korb zu geben. Vielleicht hat er wirklich nur eine Neuigkeit für mich. Ich kann mir sogar schon denken, was es ist.
»Okay«, sag ich, »warum nicht? Aber dann jetzt gleich. Ich fall sonst um vor Kohldampf.«
»Tu das bloß nicht.« Er lächelt. »Ich finde, einmal pro Monat umfallen reicht.«
Seinen Humor hat er jedenfalls nicht verloren, so viel steht fest.
Früher waren wir oft bei diesem Italiener. So eine Bude mit kitschigen Bildern von der Toscana, Venedig und dem Mittelmeer an den Wänden und riesigen Weinflaschen mit langen, seltsam gewundenen Hälsen als Deko. Dazu schmachtende italienische Schlager.
Wir sind die einzigen Gäste und haben freie Platzwahl. Kaum sitzen wir, tut mein Vater so, als vertiefe er sich in die Speisekarte. Ich nehme
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