Filmwissen
ihrer Geschichten damit zu tun, deren spezifische Problematik sich allerdings auch im Leben ihrer Erzähler widerspiegelt, wie etwa in der individuellen Verengung des Abenteuers auf die Leidenschaft der (mehr oder weniger sportiven) Jagd, auf eine Tätigkeit also, die trotz ihres konkreten und sinnlichen Charakters nichts anderes ist als ein, wenn auch gefährliches, Spiel.
Die Erbschaft des Kolonialismus
Columbus oder: Das verlorene Paradies
Das Abenteuer-Kino musste in seiner Genealogie als Abkömmling der Abenteuerliteratur und der Bildwelten des Kolonialismus wie in seiner Phänotypie als Genre der positiven Bewegung schlechthin ein Kino der Eroberer sein, und es war, vor allem, ein Kino der unschuldigen Eroberer, des Kindmannes, der so tut, als gelte seine Bewegung, seine Aggression schließlich, nicht der Unterwerfung eines kolonialisierten Raumes, sondern der Rekonstruktion eines paradiesischen Neverlandes. Als wäre er nicht der Ausbeuter und Unterdrücker, sondern der ewige Junge, das spielende Kind, das sich mit allem verbünden will, was Natur ist, um seinem Vater, der unterdrückenden Zivilisation, um dem ödipalen Drama in der Heimat zu entgehen und um den Erfordernissen der «Realität» nicht ins Auge sehen zu müssen. Vielleicht darum hat sich das Kino mit den «echten» Entdeckern, die weniger von Traum und Mythos als von Interesse und Anspruch geleitet waren, immer recht schwer getan. Die historischen Gestalten in Christopher Columbus (1949, Regie: David MacDonald), Marco Polo (1962, Regie: Hugo Fregonese) oder Scott of the Antarctic ( Scotts letzte Fahrt ; 1948, Regie: Charles Frend) bleiben vergleichsweise blass, als täte sich das Genre schwer damit, zu akzeptieren, dass die Protagonisten der entsprechenden Entdeckerfahrten erwachsene Männer sind.
Die Peter Pan-Phantasie des Genres war schon in den siebziger Jahren nicht mehr wirklich aufrechtzuerhalten. Sie wanderte ins phantastische Kino ab oder lud sich postmodern mit tausenderlei Medienträumen und Selbstreflexionen auf wie in den Indiana Jones -Filmen. Die Eroberer der Leinwand zeigten dagegen etwas von ihrer düsteren Seite. Filme wie Mission (1985, Regie: Roland Joffé) weisen auf die Zerrissenheit der Menschen hin, die sich nicht der blanken Zerstörung des Neuen Landes hingeben wollten, und in anderen, wie zum Beispiel Utu (1983) von Geoff Murphy, wurde der Vorgang der Eroberung von der anderen Seite, aus der Sicht der Kolonialisierten, gezeigt.
Unvermeidlich war es beinahe, dass im «Gedenkjahr» 1992 Christopher Columbus auf der Leinwand erscheinen musste, und die Gestalt wurde sozusagen zu einer Art Prüfstein dafür, inwieweit das Genre und seine Helden noch funktionierten und inwieweit sie zu renovieren waren. Aber wie sollten Filme über eine Gestalt aussehen, mit der Elend, Völkermord und Unterdrückung für einen Kontinent begannen? Dieser Kolumbus, der koloniale Held, gefeiert auch in Schulbüchern und Kinderliedern, war, nach allem, was wir wissen, kein unschuldiger Wegbereiter für den Terror um Gold und Seelen, sondern vor allem sein erster Vertreter. Filme, die zu dem durchaus fragwürdigen Jubiläum entstanden, mussten sich als erste Strategie aus der Klemme ziehen: Einen naiven Helden können sie uns nicht zurückgeben, aber auch die sanfte Entmythologisierung vieler «Spät-Abenteuerfilme» lässt sich gegen die historischen Fakten nicht durchsetzen.
John Glen versuchte es mit Christopher Columbus – The Discovery ( Christopher Columbus – Der Entdecker ; 1992) ein bisschen in die eine und ein bisschen in die andere Richtung. Er und seine Drehbuchautoren Mario Puzo und John Briley unternahmen es, eine Abenteuergeschichte mit Widerhaken zu erzählen. Der Film beginnt mit einer recht atemlosen Intrigen- und Liebesgeschichte, in der uns der Held (George Corraface) als fröhlicher Kämpfer und besessener Tor vorgestellt wird. Nach Flucht und Demütigung am Hof gelingt es ihm mit Hilfe der spanischen Königin (Rachel Ward als eine Frau, die von einer unklaren Sehnsucht besessen ist) gegen den pragmatischen König (Tom Selleck) und den feisten Machtmenschen der Inquisition, Torquemada (Marlon Brando), seine Expedition auszurüsten. Was auf der Fahrt geschieht, ist uns aus Kinderbüchern, Comics und dem englischen Film mit Fredric March aus dem Jahr 1949 bekannt. Aber immerhin zeigt Glen nun noch deutlicher, dass er nicht vorbehaltlos auf Seiten seines Helden steht. Der ist ein ruhm- und herrschsüchtiger Fanatiker,
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