Filmwissen
ändert sich Erzähl- und Inszenierungsstil. Das atmosphärische und ein wenig psychologisierende Vorgehen in der Darstellung und Entwicklung von Charakteren und Beziehungen wird von einer stringenten Spannungsdramaturgie abgelöst. Nachdem ein rationales Fundament gelegt worden ist, können jetzt der Abenteurer und sein Opponent aufgebaut werden:
«Die anfängliche Jagdzuversicht wird getrübt durch die unheimliche Intelligenz des Monsterhais, der mit übernormaler, vielleicht diabolischer Kraft begabt zu sein scheint. Quint verwandelt die Jagd in eine persönliche Vendetta. Er verhindert, dass Hooper seine ‹wissenschaftlichen› Mittel einsetzt, um die Kreatur zu töten, und zerstört schließlich sogar den Bordfunk, als Brody versucht, Hilfe herbeizurufen. Der Hai zertrümmert das Boot … und Quint wird bei lebendigem Leib vor den Augen des entsetzten Brody gefressen. Brodys Tod scheint sicher. Gleichwohl bietet er seine ganze Kraft auf und besiegt das scheinbar unschlagbare Monster im letzten Augenblick dank seines Scharfsinns, seines Glücks und seiner Willensstärke.» (Glenn Erickson)
Glücklich erreichen er und der wundersam davongekommene Hooper die Küste.
Die Welten sind getrennt. Hier Gesellschaft, Familie, Geschäft und Beruf, dort «drei Mann in einem Boot gegen das Unbekannte» (Erickson). Doch das Abenteuer ist schon Fremdkörper in dieser Welt. Mit dem Abenteurer Quint ist schwer sich anfreunden. Die Distanz zu ihm ersetzt die Distanz zum Märchen, dem wir uns im Kleid des Normalen, durch Identifikation mit dem Familienvater Brody hingeben, ein biederer Sancho Pansa an der Seite eines am Rande zum Wahnsinn stehenden Don Quichotte, der folgerichtig seine Besessenheit mit dem Leben bezahlen muss. Eigentliche Sieger gibt es nicht. Brody und Hooper sind Überlebende. Sie hatten Glück.
Der Film war ein überwältigender Erfolg an den Kinokassen, nicht zuletzt vielleicht auch auf Grund eines Werbefeldzugs, der in seinen Ausmaßen neue Maßstäbe setzte. Einen Teil dieser Werbung macht die Diskussion um den realen Hintergrund der Geschichte aus, aber wohl weniger von der realen Möglichkeit solch phantastischer Gefahr ging die hauptsächliche Faszination aus, sondern von der Wirklichkeit der Menschen in der Geschichte. Spielbergs geschickte Erzählanlage und seine Kraft der Inszenierung fesseln den Zuschauer auch während der Alltagsszenen etwa durch indirekte Erzählweise und den liebevollen Umgang mit seinen Figuren, die eine direkte Beziehung von den Alltagserfahrungen der Menschen im Publikum zu der phantastischen Welt des Abenteuers schaffen. Zudem konnte Spielberg durch seine Fähigkeit zu cineastischen Taschenspielertricks mit der Erwartungshaltung des Zuschauers spielen und daher mit einem Minimum an Effekten auskommen. So taucht der Hai immer dann auf, wenn unsere Aufmerksamkeit von etwas ganz anderem gefesselt ist.
In The Deep spielt wiederum Robert Shaw die Rolle eines wunderlichen Abenteurers, der sich als Führer ins Reich des Abenteuers für die Normalbürger erweist. Die Tauchtouristen Gail (Jacqueline Bisset) und ihr Freund Davis (Nick Nolte) entdecken auf einem ihrer Tauchausflüge Spuren von gleich zwei Schätzen. Erst mit Hilfe des von einem stummen Wächter abgeschirmten Treece (Robert Shaw) können diese Spuren entschlüsselt werden. Es gelingt ihnen, den einen, den schrecklichen Schatz zu zerstören, eine Ladung Morphiumampullen, hinter der ein Rauschgiftring her ist, und den anderen, spanische Schmuckgegenstände aus dem 18. Jahrhundert, zu heben.
Der größte Teil des Films spielt sich unter Wasser ab. Die Schatzsuche in zwei gefährlich am Abgrund liegenden Wracks, Kämpfe mit Rauschgiftjägern und Ungeheuern des Meeres sorgen für Schau- und Spannungselemente. Auch hier spielt sich das Geschehen vor dem Hintergrund einer normalen, touristisch «besetzten» Landschaft ab, aus der sich das Abenteuer, unbemerkt von den Menschen des Alltags, in eine Enklave abgesetzt hat. Zu sehr aber verquickt sich der Abenteurer selbst in die Machenschaften an der Oberfläche, als dass die Reise in die Tiefe des Meeres und in die der Geschichte ihren poetischen Zauber voll entfalten könnte.
Die Sphäre des Abenteuers, das wird in diesen Filmen deutlich, kann sich nur noch innerhalb der Sphäre des Wahrscheinlichen und Normalen durch hermetischste Abgrenzung erhalten. Vermischen sich Wirklichkeit und Abenteuer, wird der Abenteurer selbst schnell ein wenig lächerlich, und sein Sex-Appeal
Weitere Kostenlose Bücher