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Filmwissen

Filmwissen

Titel: Filmwissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Seeßlen
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Atlantiküberquerung. Sein eigentliches Thema ist die Eroberung und der Verlust des Paradieses, die Auseinandersetzung des guten Kolonialisten Columbus mit seinem bösen Widersacher, Adrian de Moxica (Michael Wincott), der, habgierig und blutdürstig, nur an die Ausbeutung des natürlichen Reichtums des neuen Landes und an die Privilegien des Adels denkt, die Columbus beim Bau der Stadt Isabella nicht gelten lassen will. Columbus ist in diesem Film ein tragischer Vitalist: «Er fand», so Scott, «ein irdisches Paradies, das zu seiner eigenen Hölle wurde .»
    Hatte Glen, wohl durchaus ehrbar, versucht, seinen Helden immerhin nach dem Wissensstand unserer Zeit in Frage zu stellen, so bastelte Scott am Mythos herum, bis Columbus wieder der verlorene Held zwischen Abendland und Neuer Welt, zwischen Mittelalter und Neuzeit war, der tragische Kolonialist, wie wir ihn gewohnt sind, der das Gute gewollt hat, dem aber das Paradies zur Hölle werden musste, weil er zu viele Widersprüche aus der alten Welt mit sich brachte. Und während sich, mit welchem Geschick auch immer, Glen darum bemühte, so etwas wie ein Panorama des Geschehens zu entwerfen, geht es Scott vor allem um einen überlebensgroßen Menschen, und das heißt, der Film handelt auch von einem darstellerischen Mythos, von Gérard Depardieu als melancholischem Vitalisten.
    Am Anfang sitzt Christopher mit seinem Sohn Fernando am Felsenufer über der Brandung und erklärt anhand eines am Horizont verschwindenden Segels und einer halbgeschälten Apfelsine seine Vorstellung von der Beschaffenheit der Welt: Sie ist rund. Schon in dieser Szene ist eigentlich alles klar: Die gewaltige Natur wird von einem rastlosen Menschen mit einer Vision bezwungen, die den Begrenzungen seiner Zeit und seiner Gesellschaft entkommt. Alle weiteren Episoden, alle Handlungspartikel, alle Dialoge, alle Bildkonstruktionen, alle Symbole haben, so scheint es, nur die eine Aufgabe, diesen Mythos vom Übermenschen zu festigen, dessen einzige Fehler sein ungestümes Temperament und die Rücksichtslosigkeit sind, die man nun einmal für eine große Sache braucht. So macht er sich am Hofe, an der Universität von Salamanca und in der Kirche zwar mehr Feinde als Freunde, findet aber auch immer wieder Menschen, die an seine große Idee glauben, allen voran die Königin (Sigourney Weaver). Wie weit sein Held sich schon von seiner finsteren Zeit entfernt hat, die Scott als Dualität enger, durch ein Übermaß an Feuer an allen Ecken und Enden durchaus höllischer Innenräume und weiter Landstriche sieht, zeigt der Regisseur an der lakonischen Abscheu des Columbus gegenüber einer Hexenverbrennung und gegenüber der Zerstörung der islamischen Kultur von Granada durch die Reconquista.
    Dann stechen die drei Schiffe in See, was wiederum nicht ohne viel Feuerschein und Lichteffekte abgeht. Unterwegs, das kennen wir, kommt es beinahe zur Meuterei, aber Columbus weiß seine Männer noch einmal mitzureißen. Und bald darauf künden die vom Feuer angezogenen Insekten vom nahen Land. Aus dem morgendlichen Nebel erscheint das Paradies, und Columbus betritt es in einer endlos gedehnten Szene von Triumph und Dankbarkeit. Blumen, Blätter, Vögel und Schlangen sind zu sehen in diesem Paradies, von dem der Held gleich zu schwärmen beginnt. Nicht mit Gewalt wolle er diesen Garten Eden regieren, und keiner seiner Männer solle sich eines Übergriffs schuldig machen, schreibt er nieder. Hinauf durch den Wald müssen die Männer, um den Himmel zu erreichen, und um uns im zweiten Teil an die Topografie zu erinnern, wenn sie Unschuld und Paradies verloren hat.
    Man begegnet den «Wilden» und findet in gemeinsamem Gelächter zueinander. Man lebt friedlich miteinander; freilich, ein wenig misstrauisch werden die Menschen schon, als Columbus ihnen ankündigt, es würden noch viel mehr Menschen seiner Art kommen. Wozu? Um das Christentum zu bringen, und Medizin. Hier haben sich Scott und seine Drehbuchautorin Roselyne Bosch ein wenig Ironie erlaubt, denn gerade haben die «Indianer» den Weißen durch ihre Medizin geholfen, da haben diese schon wieder alles vergessen und glauben nur an die eigene Überlegenheit. Frohen Herzens verlässt Columbus die Insel und die Leute, die er zurückbleiben heißt.
    Soweit die traditionelle Geschichte, die Scott bis hierher als beeindruckenden und ignoranten Bilderbogen inszeniert hat. Im zweiten Teil des Films, der der interessantere zu werden versprach, weil er nicht von einem

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