Filmwissen
Entdecker, sondern eben von einem Kolonialisten handelt, setzt Ridley Scott seine zweifellos vorhandene Bildmächtigkeit ganz und gar in den Dienst der Heldenverehrung. Dieser Columbus ist nie Täter, immer nur tragisches Opfer, und das Scheitern seiner Träume bestätigt nur deren Wert: Columbus hat Amerika erträumt. Und wie noch in jeder kolonialen Legende sind es nicht die Widersprüche zwischen den Kolonisatoren und den Kolonisierten, die aus dem Paradies die Hölle machen, sondern Widersprüche zwischen verschiedenen Fraktionen der Kolonialisten.
Ridley Scotts Film ist voller Bewunderung für diesen Mann, den er uns, irgendwo auf der Linie zwischen John Ford und Werner Herzog, zugleich als romantischen Aufklärer, als Besessenen und als Propheten von «Freedom and Democracy» zeigt. «Er war ein helles Licht in einer dunklen Zeit», sagt der Regisseur, und der ganze Film wirkt, als diene er der Illustration dieser bescheidenen Prämisse: Kalkulierte Bilder, die immer auf verschiedenen Ebenen etwas bedeuten, die einander vorwegnehmen, wiederholen, kommentieren. Columbus errichtet eine Stadt im Dschungel; das Anbringen der Glocke wird als ein heroischer Akt gezeigt, Christentum und Freiheit in einem Kult vereint, bei dem der Held sein Werk noch einmal, ganz Körper und ganz Symbol, wiederholen darf. Weil es nicht gelingt, muss er das Pferd des Adeligen requirieren, es zum Arbeitstier degradieren, und er erzeugt damit endgültig dessen Hass, der schließlich in die Katastrophe führen wird: Eine Fraktion der Kolonialisten mit ihren «Verbündeten» steht gegen die andere Fraktion mit ihren «Verbündeten». Als wäre alles, von Moses über die amerikanische Revolution und den Bürgerkrieg bis zur Eroberung des Weltraums, mit der Scott nicht umsonst die Fahrten des Columbus so enthusiastisch vergleicht, schon in dieser Legende enthalten. Bei dem Versuch, einen Mythos zu schaffen, produziert Scott vor allem Propaganda. Am Ende seines Lebens hat dieser Columbus natürlich so wenig verstanden wie sein Regisseur. Da sitzt er wieder mit seinem Sohn am Meer, in sicherer Entfernung nun, und beginnt mit der Niederschrift seiner Lebensgeschichte. Nahtlos geht der Weg vom Tod des Mannes in die Ewigkeit seiner Legende über, die Riefenstahls, Trenkers und Veit Harlans hätten es nicht besser machen können. Freilich haben nicht alle Kritiker Scotts Film bei seiner Erstaufführung so negativ beurteilt, und gewiss ist, was das Handwerk und die inszenatorische Phantasie anbelangt, sein Columbus der «bessere Film».
«Trotz einiger Brüche, die wohl auf Kürzungen zurückgehen, vermag Scotts wie immer handwerklich solider, bilderstarker Film weitgehend zu fesseln. Seine differenziertere Darstellung der Kolonisation und des Umgangs mit den Indianern, die eigentlich weder einen neuen Gott noch die weiße Ziviliation brauchen, hebt sich wohltuend von John Glens Ethno-Kitsch ab. Vielmehr erinnert 1492 in der schonungslosen Schilderung des Scheiterns eines idealistischen Weißen am Kulturkonflikt mit der eingeborenen Bevölkerung streckenweise an Scotts Lieblingsautor Joseph Conrad und an Peter Weirs Mosquito Coast .» (Michel Bodmer)
Die unvermeidliche Columbus-Parodie drehte das Team der englischen Carry On -Serie (nach zehnjähriger Leinwand-Abwesenheit) mit, natürlich, Carry On, Columbus ( Mach’s nochmal, Columbus ; 1992, Regie: Gerald Thomas), in der der desorientierte Columbus (Jim Dale) mit einer durch und durch chaotischen Mannschaft unterwegs ist. Der Held ist ein trotteliger Landkartenverkäufer, der seiner Mannschaft eine Art Butterfahrt verspricht, um sie zu motivieren. Die unfähige Mannschaft und die schöne Fatima, die in Männerkleidern an Bord gekommen ist (Sara Crowe), verhindern jeden planmäßigen Ablauf der Entdeckungsfahrt. Im selben Jahr schließlich entstand noch ein deutscher Zeichentrickfilm, Die Abenteuer von Pico und Columbus (1989, Regie: Michael Schönmann), der die Eroberungsfahrt aus der Sicht eines Holzwurms schildert, der zu Columbus’ Ratgeber und Freund wird, und dessen Geliebte, die Lichtmotte Marilyn, vom Herrscher der Hornissen entführt und über den Ozean gebracht worden ist. So wird Columbus, immerhin eine hübsche Idee, im Grunde zu einem Werkzeug, einem Mitläufer, geleitet von einem liebeskranken Insekt.
Die neunziger Jahre waren gekennzeichnet von einer Sehnsucht nach der verlorenen Unschuld des Abenteuers, und einige Filme machten sich auf die Suche nach dem Ursprung dieses
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