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Filmwissen

Filmwissen

Titel: Filmwissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Seeßlen
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schottischen Volkshelden William Wallace (1267–1305), nach einem berühmten Versepos entstanden, beinhaltet einmal mehr die Metapher einer politischen Revolte. Sie richtet sich hier gegen die englische Unterdrückung und gegen einen König, der unbewaffnete Unterhändler aufknüpfen lässt. Es ist die klassische Genesis des Helden: Seine Braut (die er heimlich geheiratet hat, um das «jus primae noctis» des Fürsten zu umgehen) wird ermordet, und er bricht zur Rache mit wenig Mitteln aber ungebremster Wut auf. Das dreistündige, in Details von abgeschlagenen Köpfen und blutigen Gliedmaßen schwelgende Schlachtengemälde wird von einer Liebesgeschichte zwischen dem Helden und der französischen Prinzessin Isabelle (Sophie Marceau), die gegen ihren Willen mit dem (schwulen) Sohn des englischen Königs verheiratet werden soll, ergänzt.
    Und noch einmal machte sich die amerikanische Traumfabrik zu einer Revision von Camelot auf. First Knight ( Der Erste Ritter ; 1995, Regie: Jerry Zucker) ist eine neue Variation der Artus-Legende; Sean Connery spielt einen im Wesen gütigen König Arthur, der nach vielen Kämpfen das Land geeint hat und nun sein Leben in Frieden beenden will, an der Seite einer schönen Frau: Ginevra (Julia Ormond), die in die Heirat einwilligt, um ihr kleines Reich zu sichern. Lancelot (Richard Gere) ist ein Herumtreiber, der sich seinen Lebensunterhalt mit Schau-Schwertkämpfen verdient, nachdem man ihm das Zuhause zerstört hat. Auf dem Weg nach Camelot wird Lady Ginevra überfallen, und Lancelot rettet sie. Weil er sie nicht vergessen kann, kommt auch er nach Camelot, und die verhängnisvolle Dreiecksgeschichte nimmt ihren Lauf. Jerry Zucker hat so etwas wie eine psychologische Ritterromanze gedreht, die sich weder um die mythischen Implikationen der Legende noch um das prächtige Abenteuer allzu sehr kümmert. Nicht Auflösung sondern Befriedung ist das imaginäre Ziel der Erzählung; es ist vielleicht so einfach, wie der Regisseur sagt:
    «Er ist ein Mann, der vor Freiheit und totaler Unbekümmertheit nur so strotzt, und eine Frau trifft, die voll Verantwortung und Pflichtbewusstsein steckt.»
    So gönnt der Film seinen Figuren auch ein Happy End: Als Artus den (nur als glühenden Kuss vollzogenen) Ehebruch und Verrat ahnden will, sorgt ein Überraschungsangriff der Bösen dafür, dass alle wieder vereint um ein Ziel kämpfen. Genau das, was Boormans Film so grandios macht, die Schilderung einer Agonie, eines Vergehens, das ertrinkt in First Knight in Überdeutlichkeit: Die Heimat Ginevras in ihren Ockertönen als das Gute der weiblichen Welt, und Camelot als das Gute der männlichen Welt (übrigens auf einem ausgedienten Atomkraftwerk errichtet), ein Symbol der aufstrebenden Zukunft, eine Art leuchtendes Beispiel; die Bösen, die in einem System von Erdhöhlen hausen, in die Lancelot, wie einst Orpheus, hinabsteigen muss – all das bildet ein wirksames, simples Weltengebäude, in dem von vornherein klar ist, dass es sich auch von heftigeren Krisen nicht zerstören lassen wird. Die Kostüme von Nana Cecchi erinnern eher an eine futuristische Modenschau als an die traditionellen Phantasien von Rittern und ihren Damen, während der Film eine seltsame Sehnsucht nach Helden und Lichtgestalten ausstrahlt, nach der Einfachheit der Verhältnisse, und nach einem naiven Humanismus, der sich in einem König verkörpert, «dessen Kraft nicht seiner starken Armee oder der Tafelrunde entspringt, sondern seinem Glauben an einen Gott, dessen erstes Gebot die Menschlichkeit ist». Das Mittelalter hat seine Wildheit hier weitgehend verloren, es ist eher bürgerlich geworden:
    « Der erste Ritter kommt nicht so ‹wild› daher wie Excalibur . John Boormans Adaption des Artus-Stoffes führte, wie ein Sprecher zu Beginn im Off erzählt, in die ‹dunklen› Jahre, jene sagenhafte Zeit in der die Mythen noch Personen sind. So wie Walter Hill seine Streets of Fire eine ‹Rock-Fantasie› genannt hat, so war Excalibur eine Ritter-Fantasie, ein ‹wilder› Film, ein Experiment mit den archaischen Versatzstücken des Genres, mit Rittern, die in ihren blankpolierten Rüstungen tolpatschig aufeinander einschlagen und im Gegenlicht zu den Klängen der Carmina Burana durch den Wald reiten. Der erste Ritter dagegen liefert auf allen Ebenen ein eher beschauliches, biedermeierliches Mittelalter.» (Rudolf Worschech)
    Schließlich kehrte das Genre auch zur Fantasy zurück. Dragonslayer (1996, Regie: Rob Cohen), in

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