Filmwissen
Frankreich zurückzukehren: «Ich bin hier, um die Kathedrale fertigzustellen», verkündet er.
Vorbild für das Geschehen von Roman und Serie ist die Errichtung der Kathedrale von Salisbury. Der Reiz der Geschichte besteht darin, dass eine ganze Stadt, eine Unzahl unterschiedlicher Charaktere, an einem Projekt, an eben diesem «world building» teilhaben. «Was hat die Menschen veranlasst, ein so gewaltiges Bauwerk zu errichten?» so Ken Follet, «dieser Frage wollte ich in Die Säulen der Erde nachgehen. Das Buch handelt von der Sehnsucht der Menschen, es schildert, wie sie ihren Traum verwirklichen und welche Hindernisse sie dabei überwinden mussten.» Wie schon in Die Wanderhure versuchte man auch hier mit durchaus drastischen Bildern und derber Sprache die Finsternis des Mittelalters als realistisches Bild erscheinen zu lassen, ohne die Aufnahmebereitschaft der Fernsehzuschauer zu überfordern, und nach Follett ist auch hier weniger der spirituelle Glaube als die Macht der effizienten Religion am Werk. Es ist die Dekadenz einer alten Herrschaft, die durch die Allianz der Helden, der Handwerker und der Mönche bezwungen wird. Die wissen nur zu gut, welche Mystifikationen die Kleriker treiben, um sie für sich zu nutzen. Am Ende sichern falsche Wundertränen einer Madonnenstatue den Weiterbau: Es ist, wenn man so will, eine Urgeschichte des Kapitalismus.
Piraten, Schätze, Inseln
Jede Generation bekommt die Robinsonade, die sie braucht und für einen Augenblick schien es, als ob auch im Kino der neue Robinson mit neuen Einsichten von seiner Insel zurückkommen könnte. Mit Cast away ( Cast Away – Verschollen ; 2000) gelang Robert Zemeckis ein beeindruckender Robinsonade-Film fast ohne die gängigen Zutaten. Chuck Noland (Tom Hanks), gestresster Manager einer Transportfirma, kann nicht einmal Weihnachten bei seiner Verlobten Kelly (Helen Hunt) verbringen, weil der nächste Termin im weltweiten Business drängt. Dann stürzt sein Flugzeug über dem Pazifik ab, und er wird als einziger Überlebender auf eine einsame Insel gespült, wo er lernen muss, mit einfachsten Mitteln Feuer zu machen, zu jagen und sich gegen die Unbill der Natur zu schützen, vor allem aber auch, mit der Einsamkeit fertig zu werden. Sein einziger Gefährte ist ein Basketball, den er zu einem Gesicht gemacht hat und den er «Wilson» nennt (der bizarrste aller Freitags zweifellos) und seine einzige große Hoffnung besteht darin, ein Floß zu bauen, um der Inseleinsamkeit zu entkommen (nachdem er vergeblich versucht hat, sich das Leben zu nehmen). Als es ihm endlich nach vielen Mühen gelingt, mit einem selbst gebauten Gefährt zurückzukehren, ist Kelly mit einem anderen verheiratet. Chuck muss nach schwerem Abschied noch einmal lernen, ein neues Leben zu beginnen und dieses Ende unterscheidet Cast away auch von einer bloßen Modernisierung der Robinsonade. Eine einfache, «glückliche» Rückkehr in die Zivilisation kann es nicht geben.
Zwei Jahre später versuchte sich Guy Ritchie mit seiner damaligen Ehefrau Madonna in der Hauptrolle an einem Remake von Lina Wertmüllers schriller Insel-Satire Travolti da un insolito destino nell’ azzurro mare d’agosto ( Hingerissen von einem ungewöhnlichen Schicksal im azurblauen Meer im August ; 1974), die Geschichte einer Industriellengattin und einem Kommunisten, die gemeinsam auf einer einsamen Insel stranden. Swept Away ( Stürmische Liebe – Swept Away ; 2002) hat aber mit dem Vorbild nicht viel mehr gemeinsam, als dass der Sohn des damaligen Hauptdarstellers, Adriano Giannini, die Rolle neben Madonna spielt, die einst der Vater, Giancarlo Giannini innehatte. Über den Zusammenhang zwischen Geschlecht, Klasse und Abhängigkeit wusste der Film indes wenig zu sagen (es blieb wohl nur der Versuch, den Zusammenhang zwischen Zickigkeit, Sex und freier Natur zu klären). Entsprechend negativ wirkte sich der Film auf die Kinokarrieren von Ritchie und Madonna aus, allerdings auch auf die Versuche, die modernen Inselromanzen mit einem zeit- oder genderkritischen Twist zu versehen.
Man muss sich aber wohl nicht immer so viele Gedanken machen: Bermuda Triangle ( Flucht aus Atlantis ; 1996, Regie: Ian Toynton) erzählt von einer Familie, die bei einem Unwetter während eines Segeltörns auf eine einsame Insel verschlagen wird. Dort treffen sie auf andere Schiffbrüchige, die sich dort längst als neue Robinsons eingerichtet haben. Aber die tapfere Familie Everman setzt alles daran, das Eiland zu
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