Filmwissen
führt. Als das Wetter bedrohlich wird, werden die Menschen mit Hubschraubern evakuiert, doch für die Hunde ist kein Platz. Jerry versucht schließlich, sie zu retten. Die Vorlage bildet eine japanische Expedition aus dem Jahr 1958 bei der unter ähnlichen Umständen 15 Sakhalin-Huskies angekettet zurückgelassen wurden; zwei von ihnen konnten sich losreißen und überlebten. Der japanische Film Nankyoku Monogatari ( Taro und Jiro in der Antarktis ; Regie: Koreyoshi Kurahara) schilderte bereits 1983 etwas weniger pathetisch die Geschehnisse.
Es ist der Traum von einem Verlorengehen in der Wildnis, der die Protagonisten zu den Fundamenten des Menschlichen bringt, eine letzte Chance der Bewährung. Strange Wilderness (2008, Regie: Fred Wolf) erzählt von dem Tierfilmer (Steve Zahn), der die Sendung von seinem Vater übernommen, aber auch verkommen hat lassen. Bevor alles zu spät ist, versucht er sie durch eine Expedition nach Mexiko zu retten, wo er hofft, einen Bigfoot zu finden, vielleicht aber auch seine verlorene Identität. Es gibt aber auch die Option des magischen Realismus, wie in Karu süda ( Das Herz der Bärin ; 2001, Regie: Arvo Iho), die Geschichte eines jungen Mannes, der aus Abenteuerlust nach Sibirien als Jäger geht, wo er bei einem Nomadenstamm lebt. Bei einem seiner Streifzüge erschießt er einen Bären. Kurz darauf begegnet ihm auch die Bärin, zeigt sich aber überraschend zutraulich. Im nächsten Winter begegnet der Jäger einer fremden Frau, die mit einen Bärenpelz bekleidet ist. Und er lebt eine Zeit mit ihr, sie wird schwanger und verschwindet dann mit dem Baby. Für deutsche Filme scheinen solche «letzten» Abenteuer des Verlorengehens vor allem ins Geflecht der Beziehungen zu greifen wie in Fata Morgana (2007, Regie: Simon Groß), wo ein kleiner Ausflug in die marokkanische Wüste für das Paar Daniel (Matthias Schweighöfer) und Laura (Maria Zielcke) zur Reise ins Nichts wird. Als ein Fremder (Jean-Hugues Anglade) erscheint, der sie offensichtlich immer tiefer in die Wüste führt, ist unklar, ob er ihre Rettung oder ihr Verderben im Sinn hat. Um sich zu retten, müssen sie das Alphabet von Vertrauen, Liebe und Verständnis neu erlernen. Unglücklicherweise konzentriert sich dieser Wüstenfilm so sehr auf diese Beziehungsgeschichte, dass er vergisst, etwas von seinem Schauplatz zu erzählen, der Wüste.
Sean Penn folgt Jon Kracauers Spuren in seinem Film Into the Wild ( Into the Wild – Die Geschichte eines Aussteigers ; 2007), der seinerseits die Aufzeichnungen von Chris McCandless (1968–1992) benutzte: Ein behütetes Elternhaus, finanzielle Sicherheit, eine außergewöhnliche Begabung und umwerfender Charme. Eigentlich ist der Anfang 20-jährige Student Christopher (Emile Hirsch) so etwas wie ein Vorzeige-Amerikaner mit glänzenden Zukunftsperspektiven. Doch dann plötzlich, von heute auf morgen, bricht er aus seiner privilegierten Existenz aus, verbrennt die Kreditkarte und lässt alles hinter sich. Ohne einen Cent in der Tasche trampt er quer durch die Staaten, Richtung Alaska, in die Wildnis. Es ist der alte romantische, amerikanische Traum. Unterwegs trifft er auf andere Aussteiger, die wie er am Rande der Gesellschaft leben, und spürt bei ihnen die menschliche Nähe, die er bei seinen Eltern (William Hurt, Marcia Gay Harden) immer vermisste. Doch vier Monate später findet das Abenteuer ein jähes Ende; die Wildnis hat ihn verschlungen.
Schon am Anfang macht der Film klar, dass Chris von seiner Reise nicht zurückkehren wird. Um einen vordergründigen Thrill geht es hier gewiss nicht. Stattdessen wird der «Aussteiger» als Archetyp gezeichnet, der sein Verschwinden in Kauf nimmt. Es ist ein radikales Ende des Abenteuers schließlich, das Danny Boyle in 127 Hours (2010) nach der wahren Begebenheit schildert: Aaron Lee Ralston (James Franco) ist auf einer Klettertour im Blue John Canyon in der Wüste von Utah, nur mit etwas Schokolade, einem CD-Player, einem Klappmesser und einem Videogerät ausgestattet, in eine Felsspalte gestürzt und hat sich so unglücklich seinen Unterarm zwischen Felswand und herunterfallendem Gestein eingeklemmt, dass er sich selbst nicht mehr befreien kann. Auf Rettung von außen indes ist nicht zu hoffen. Während er sich in den langen 127 Stunden vergeblich zu befreien versucht, filmt er seinen eigenen Verfall bis zum Ende, wenn ihm nur eines bleibt: das Klappmesser zu benutzen. Wie schon zuvor The Beach (2000) ist auch 127 Hours neben der
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