Filmwissen
gerecht, sowenig ein Mythos zu erfassen ist, indem man ihn an der Wirklichkeit misst. Aber Lester hat es durchaus nicht an Respekt für seinen Helden fehlen lassen, und wie weit sich dieser Robin Hood von seinen Vorgängern entfernt hatte, so weit waren die Mittsiebziger auch vom Abenteuer entfernt.
In späteren Jahren ist kaum ein Film erschienen, der die Robin Hood-Legende erneut aufgegriffen hätte. Davon zu erwähnen ist etwa der italienische B-Film Robin Hood, frecce, fagioli e karate ( Zwei linke Brüder auf dem Weg zur Hölle ; 1977, Regie: Tonino Ricci), der die in groben Zügen den klassischen Vorbildern folgende Geschichte mit der Einführung eines Kung-Fu-kundigen Mönches und dementsprechend martialischen Kämpfen anreichert. Während nahezu alle klassischen Abenteuerstoffe einer Neuverfilmung unterzogen wurden, fehlte den achtziger Jahren «ihr» Robin Hood.
Vom Ritterfilm zur Fantasy
In den sechziger Jahren war der Ritterfilm mehr oder weniger zu einem B-Film-Genre geworden, und spektakuläre Arbeiten innerhalb seiner Muster waren selten. Und wie beim Piraten- und Mantel & Degen-Film war es vor allem die italienische Filmindustrie, die einigermaßen «billige», bunte und action -betonte Ritterfilme herstellte. Man bediente sich gelegentlich amerikanischer Darsteller – so war John Barrymore jr. (!) in I Diavoli di spartivento ( Teufelskerle mit Schwert und Degen ; 1963, Regie: Leopoldo Savona) zu sehen –, und man griff in freier Bearbeitung klassische Motive des Genres wieder auf, wie etwa in La Rivincita di Ivanhoe ( Die Rache des Ivanhoe ; 1964, Regie: Amerigo Anton). Die Hauptelemente dieser Filme waren wilde Verfolgungsjagden zu Pferde, Massenkämpfe und Duelle, ausgelöst durch gigantische und oft nicht völlig zu entwirrende Intrigen und unterbrochen nur durch die Liebesgeschichte zwischen dem Helden und der «Prinzessin» (des öfteren dargestellt von Scilla Gabel). Sowohl Designs und Architekturen als auch die «Moral» von Helden und Schurken ließen eine exakte Unterscheidung zwischen Mantel & Degen-Film und Ritterfilm nicht zu, im Gegensatz zur amerikanischen Produktion, wo sich der Gegensatz der Schwere im Ritterfilm zur Leichtigkeit des Mantel & Degen-Films nicht allein in der Bewaffnung der Protagonisten ausdrückte. Anlass der Intrigen in den italienischen Ritterfilmen waren oft, wie etwa in Il Terrore dei mantelli rossi ( Reiter des Schreckens ; 1963, Regie: Mario Costa), ein genreüblicher Erbschaftsstreit, aber welche historischen Konflikte dabei im Hintergrund stehen könnten, blieb fast immer im Dunkeln. Kurzum, der italienische Ritterfilm der sechziger Jahre ist kein Film über das Mittelalter, und dementsprechend reflektiert er auch nicht jene Tugenden, von denen die Autoren amerikanischer Filme und der Literatur der Heroic Fantasy glauben, sie seien fatalerweise verlorengegangen. Schließlich hat der amerikanische Ritterfilm (trotz Prince Valiant ) mehr Affinität zur Literatur, der italienische mehr zu den Comics (was nicht als wertender Vergleich misszuverstehen ist). Abgesehen davon hätte man die Geschichten dieser Filme ebenso gut als Western oder als «moderne» Abenteuerfilme erzählen können.
In den Bereich von Mythos und Sage dagegen wagten sich nur wenige Filme, neben der italienischen «Siegfried»-Variante (vergleiche das Kapitel (Mehr als) zweimal: Die Nibelungen) etwa Kindar, l’invulnerabile ( Das Geheimnis der roten Blume ; 1965, Regie: Oswaldo Civirani). Hier geht es um einen Königssohn, der in einem Gewittersturm geboren wurde und dadurch unverwundbar geworden ist. Eine Verräterin im Gefolge des Königs raubt ihn jedoch und übergibt ihn dem Feind des Herrschers, einem Nomadenführer, der die Macht an sich reißen will. Er zieht Kindar, den Unverwundbaren, als eigenen Sohn auf und will ihn in den Kampf gegen seinen Vater schicken. Doch Kindar (Mark Forest) löst zuvor das Geheimnis seiner Herkunft. Nun versucht der Nomadenführer ihn durch das einzige Mittel zu vernichten, das Kindar, der Weissagung zufolge, töten kann: die rote Blume. Die rote Blume aber ist nichts anderes als die Macht des Feuers, und so soll Kindar in eine Falle gelockt und verbrannt werden. Kindar jedoch entkommt und bestraft die Verräter.
Gemeinsam mit einigen amerikanischen Filmen wie The Magic Sword ( Das Zauberschwert ; 1962, Regie: Bert I. Gordon) oder dem russischen Ilja Muromez ( Ilja Muromez – Der Kampf ums goldene Tor ; 1956, Regie: Alexander Ptuschko) kann Kindar,
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