Filmwissen
sich von der «Seele» des Genres, insofern er sich nicht mehr für das Leben und das Wesen des Piraten interessieren kann; seine Unfähigkeit, die eigentliche Piratengeschichte zu erzählen, zwingt ihn dazu, sich plot -Teile von verschiedenen anderen Genres auszuleihen. Am Niedergang des Genres werden, sowohl was die Regie als auch was die Darsteller anbelangt, Routiniers aus dem Bereich des Western das Feld übernommen haben.
Laughton wiederholte seine Darstellung des Captain Kidd noch in einer Groteske mit dem Komikerpaar Bud Abhott und Lou Costello, in Abbott and Costello meet Captain Kidd ( Piraten wider Willen ; 1952, Regie: Charles Lamont). 1954 folgte eine Fortsetzung zu Lees Captain Kidd -Film, der bei der vermeintlichen Exekution beginnt, die am Ende des Films von 1945 stand. Der Captain Kidd (Anthony Dexter), der hier in Captain Kidd and the Slave Girl ( Captain Kidd und das Sklavenmädchen ; Regie: Lew Landers) entkommen kann, erscheint freilich in anderem, heroischem Licht als Laughtons tückischer Bösewicht.
Seine eigentliche Blüte erlebte das Genre des Piratenfilms in den Jahren zwischen 1950 und 1954, obwohl nun in einer Reihe von B-Filmen die eigentlichen Tugenden des Genres außer acht gelassen wurden und in einer Anzahl anderer den weiblichen Hauptfiguren mehr Aufmerksamkeit gewidmet wurde als den Piraten. Buccaneer’s Girl ( Die Piratenbraut ; 1950, Regie: Frederick de Cordova) ist eine romantisch-abenteuerliche Geschichte um eine Sängerin aus New Orleans (Yvonne de Carlo), die ihren Geliebten, den Piraten (Philip Friend) sogar aus dem Gefängnis befreit. Jean Peters ist die Heldin von Anne of the Indies ( Die Piratenkönigin ; 1951, Regie: Jacques Tourneur), der von Afficionados des Genres unter die schönsten Piratenfilme gerechnet wird. Anne Providence, die einzige Frau unter den verwegenen Piratenkapitänen, zeigt sich allen Gefahren und Anfechtungen ihres Standes gewachsen. Doch eines Tages kapert sie ein englisches Schiff, auf dem sich der Gefangene Pierre (Louis Jourdan) befindet. Sie schlägt alle Warnungen ihres väterlichen Freundes Captain Blackbeard (Thomas Gomez) in den Wind, denn sie hat sich Hals über Kopf in Pierre verliebt. Sie will nicht glauben, was Blackbeard ahnt, dass nämlich Pierre ein englischer Spitzel ist, der auf die Piraten angesetzt ist. Liebe verwandelt sich in Haß und muss doch am Ende triumphieren.
Dies war wieder einer jener Einbrüche der Frauen in die männliche Domäne des swashbuckling , wie sie auch Binnie Barnes in The Spanish Main , Paula Corday in The Sword of Monte Cristo ( Das Schwert von Monte Christo ; 1951, Regie: Maurice Geraghty) oder ein wenig später June Laverick in The Son of Robin Hood ( Der Sohn von Robin Hood ; 1959, vergleiche den Abschnitt Robin Hood, der König der Rebellen) verkörperten, und dieser Tabuverstoß, verstärkt durch die Tatsache, dass Anne Providence eine wirkliche Piratin in der Nachfolge von Tyrone Power aus The Black Swan war, wurde nur bedingt in einem versöhnenden Happy-End zurückgenommen. Ist der Pirat der ungezähmte, nichtzivilisierte Mann, der durch die Begegnung mit der Frau auf den Weg zur Selbstzivilisierung gebracht wird, für sie seine Ungebundenheit aufgebend, so ist es hier die Frau, wilder und «barbarischer» noch als die Männer im Genre beim Fechten und bei den Ritualen der Seeräuber, die für die Zivilisation gewonnen werden muss. Sie muss dabei durch eine ungleich härtere Prüfung, denn es ist nicht die Kraft des Mannes, die sie «zähmt», sondern zunächst sein Verrat, für den freilich auch zu büßen ist. Anne of the Indies ist ein romantischer, erotischer Abenteuerfilm, der durchaus die Umkehr der Rollen als mögliches Glück empfinden lässt, und doch ist er auch, in seinen deutlichen Verweisen auf Kastrationsängste, ein Spiegelbild der erotisch-kulturellen Obsessionen seiner Entstehungszeit. Die Emanzipation der Frau in der Welt der Piraten ist so ambivalent wie die in den Filmen der Schwarzen Serie und den woman’s films vordem.
Ganz funktionelle Staffage und Augenweide konnte die Frau zunächst im Genre auch kaum wieder werden. In George Shermans Variation der Motive von Anne of the Indies / Against All Flags ( Gegen alle Flaggen ; 1952) ist es Maureen O’Hara als Piratin, an Wildheit und Leidenschaft Jean Peters nicht nachstehend, die zwischen zwei Männern und zwei Lebensprinzipien zu entscheiden hat. Errol Flynn als britischer Seeoffizier gewinnt ihr Herz, während er gegen
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