Filmwissen
allen Schattierungen von blau, purpurn, gelb, grün, rosa, rot und lila und nie gekannten Farben; die Tage müssen schnell aufeinander folgen, damit es soviel wie möglich Morgen- und Abenddämmerndes geben kann; ja, das Aufgehen und das Untergehen der Sonne kann auch mehrmals täglich sein … The Black Swan ist der erste (Voll-) Technicolor -Piratenfilm! Erst er konnte generieren (und in einigem auch gleich übertreffen), was die wahre Stärke des Genres und den Spaß an ihm ausmachen werden, nämlich karnevalistische und erotische Sinnlichkeit . Die satte und pralle Buntheit der Piratenkleidung, der Palmenküsten, der karibischen Häfen und ihrer Rumtavernen wie auch die verfaulten oder blassen Farben der Residenzen, Perücken und Reifröcke: sie generieren wiederum ganz bestimmte und nur in diesem Kontext mögliche Topoi, Motive, rhetorische Figuren, spezifische Codes. » (Wolf-Eckart Bühler).
Nach The Black Swan wird der Piratenfilm ein Farbenfilm sein. Und es werden sich Filme, in denen wirkliche Piraten die Helden sind, von denen unterscheiden lassen müssen, deren noble Helden die Piratenrolle nur für eine Zeit und für eine bestimmte Absicht einnehmen. Der Pirat konnte nun sogar die wilde, sinnliche Alternative zum edlen, aber vielleicht ein wenig zu braven Märchenprinzen werden. So ist in dem nach einem Roman von Daphne du Maurier entstandenen Film Frenchman’s Creek ( Der Pirat und die Dame ; 1944, Regie: Mitchell Leisen) eine englische Lady (Joan Fontaine) auf der Flucht vor einem bösen Adeligen und findet Zuflucht bei einem französischen Piraten (Arturo de Cordova). Und in Frank Borzages The Spanish Main ( Der Seeteufel von Cartagena ; 1945) wird Maureen O’Hara als widerspenstige Verlobte des spanischen Vizekönigs von Paul Henreid als Pirat entführt und gezähmt. Motive des Piratenfilm-Genres waren hier Hintergrund für romantische und leicht komödiantische Geschichten geworden, und die Beziehung zwischen Pirat und «Prinzessin» war zu einer leicht verständlichen erotischen Metapher entwickelt. Kein Wunder also, dass diese auch im Genre des Musicals, dem erotischsten aller Genres, Verwendung fand. In The Pirate ( Der Pirat ; 1948, Regie: Vincente Minnelli) träumt sich ein Mädchen (Judy Garland) aus ihrem verschmähten Liebhaber (Gene Kelly) einen berühmten Piraten. Im Übrigen spielte hier wie in The Spanish Main Walter Slezak den komischen Widerpart des Helden und lieferte in beiden Filmen die vollendete Parodie auf die feisten heavies des Genres. Neben solchen ironischen tongue-in-cheek -Travestien gab es schließlich auch noch eine sehr direkte Parodie auf das Genre mit David Butlers The Princess and the Pirate ( Die Prinzessin und der Pirat / Das Korsarenschiff ; 1944), wo Bob Hope, anmaßend und feig wie immer, sich in die Rolle eines gefürchteten Piraten schwindelt.
Der dramatische Piratenfilm entdeckte schließlich eine populäre Gestalt des literarischen Genres wieder: In Captain Kidd ( Unter schwarzer Flagge ; 1945, Regie: Rowland V. Lee) spielt Charles Laughton den abgrundtief schurkischen Piratenkapitän, der im 17. Jahrhundert vor allem die Gewässer um Madagaskar unsicher machte. Als biederer Handelskapitän verkleidet, gelangt er nach London, wo er es sogar fertigbringt, dem König seine Dienste anzubieten. Dieser vertraut ihm eine Galeone an, auf der sich auch die junge Lady Ann (Barbara Britton) als Passagier befindet. Um einen tückischen Plan zu verwirklichen, sprengt Kidd das Schiff in die Luft und kehrt nach London zurück, um sich als Held feiern zu lassen. Doch auch Lady Ann hat entkommen können, und gemeinsam mit dem Sohn eines von Kidds Opfern (Randolph Scott) gelingt es ihr, den Schurken zu überwinden.
Dieser eigentlich weniger bedeutende, hinter das in The Black Swan und ähnlichen Arbeiten für das Genre Erreichte weit zurückfallende B-Film hinterließ seine Spuren fast ausschließlich wegen Charles Laughtons Figur des böse-komischen Schurken. Ansonsten fehlt sogar die für einen Film des Genres unerlässliche, typische action . Der Piratenfilm der B-Kategorie, der sich die Schauwerte der Großproduktionen nicht leisten konnte, wich aus in die verwickelte Konstruktion von Intrige und plot ; während der Piraten-»Großfilm» sich Zeit für seine großen Momente, vom Erscheinen der stolzen Segelschiffe bis zu den meisterhaft ausgeführten Duellen ließ, lässt der B-Film des Genres seinen Mangel durch die Atemlosigkeit der Handlung verbergen. Er entfernt
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