Filmwissen
zerstören wird.
Wo das Abenteuer schließlich zur Gewohnheit geworden ist, kann der Abenteurer es wohl nur durch Alkohol noch ertragen und sich selber uns erträglich durch eine Form des sarkastischen Humors machen. An dieser Stelle in der Entwicklung kehrt der Abenteurer zu seinem Gegenbild, seiner Ergänzung, dem Picaro, zurück. Er ist wieder Schelm, der kleine Gauner, der sich irgendwie durchs Leben schlägt. Nur zur rechten Fröhlichkeit will es ihm nicht mehr gelingen, bevor er, wie Humphrey Bogart in Hustons The African Queen ( African Queen ; 1951) auf einen anderen Weg gebracht wird. Ein wenig dient dieser geläuterte Picaro auch der Reflexion des Abenteuers, auch der ästhetisch-ideologischen Strukturen des Genres; der schlecht rasierte, mürrische und faule Held widerspricht jeder Eleganz des Abenteuers. Er, so scheint es, braucht das Abenteuer nicht, und nur weil das Abenteuer ihn findet, ist es, schlecht und recht, noch möglich.
Der filmhistorischen Legende nach ist der Bogart-Abenteuerfilm To Have and Have Not , selbst ein Produkt professioneller Eitelkeit. Hawks ärgerte Hemingway, er könne auch aus der schlechtesten Erzählung von ihm einen guten Film machen, und dieser warf ihm den Roman To Have and Have Not an den Kopf. Das Drehbuch ließ Hawks von Könnern (William Faulkner und Jules Furthman) schreiben, und er wusste zudem das Glück, dass sich die beiden Hauptdarsteller, Bogart und die Debütantin Lauren Bacall, heftig ineinander verliebt hatten, zu nutzen.
Bei Warner Bros. hatte man eine Art weiteres Casablanca im Sinn gehabt, und so verschob man in diesem Sinne ein wenig die Akzente im Plot. Ort der Handlung wurde das Vichy-kontrollierte Martinique, man baute französische Widerstandskämpfer in die Story ein, und sogar der obligatorische Pianist hatte seinen Auftritt. Bogart spielt den Amerikaner Harry Morgan, der sich seinen Lebensunterhalt verdient, indem er sein Boot an angelnde Touristen vermietet. Als er in Geldnöte geraten ist, nimmt er auch den Auftrag, Widerstandskämpfer fortzubringen, an, den er vorher abgelehnt hat, weil er nichts riskieren wollte. Seinen Gesinnungswandel erklärt er mit den Worten: «Jetzt brauche ich das Geld, letzte Nacht brauchte ich es noch nicht.» Auch seine Beziehung zu Marie (Bacall), der in den Bars auftretenden «Herumtreiberin», die mit den Widerstandskämpfern nichts zu tun hat, entwickelt sieh zunächst über einen rein sachlichen Konflikt. Doch in der besonderen Qualität dieses Konflikts tritt witzig die innere Verwandtschaft der Heimatlosen miteinander zutage. Marie stiehlt einem Schuldner Morgans die Brieftasche, worauf dieser sie stellt und belehrt: «Sie sollten sich jemanden zum Klauen suchen, der mir kein Geld schuldet.» Unter dem falschen Verdacht, mit den Widerstandskämpfern zusammenzuarbeiten, werden Morgan und Marie festgenommen und von Captain Renard (Dan Seymour) und seinen Leuten einem entwürdigenden Verhör unterzogen. Nach ihrer Freilassung nimmt Morgan, dessen Schuldner inzwischen nicht mehr zahlen kann, den Auftrag der Widerstandskämpfer an.
«Vielleicht ist es eher Renards Autorität als Morgans finanzielle Situation, was Morgan das Angebot der Widerstandskämpfer annehmen lässt.» (Julie Barker)
In jedem Fall ist er gezwungen worden, die Augen aufzutun angesichts der ungerechten und unmenschlichen Macht. Natürlich gibt es Schwierigkeiten mit den Vichy-Schergen, verursacht vor allem durch das unbeherrschte Verhalten von Morgans Passagieren. Unter Aufbietung all seiner Professionalität (die den Widerstandskämpfern so fehlt) gelingt es Morgan, der weder Idealismus noch irgendwelche Emotionen zeigt, «aber weiß, wie man eine Schusswunde behandelt», und Slim, die Situation zu meistern, die Widerstandskämpfer zu retten und die Insel sicher zu verlassen.
Bogart, der Held in den mittleren Jahren, der sich zwar schon die Hörner abgestoßen hat, aber trotzdem noch etwas vom Leben erwartet, war der Held des liberalen Amerika, eines Amerika, das sich von kaum wissenschaftlichen, eher schwärmerisch verfolgten marxistischen Idealen, für die in der ersten Hälfte der Roosevelt-Ära Platz war, ab- und dem Konzept der original sin zuwandte, mit der man sich irgendwie arrangieren musste. Acceptance und Revolte waren die beiden Pole dieser intellektuellen und individualistischen Form des Pragmatismus mit aufrechtem Gang. Melancholie ist seine Grundstimmung. Im Kino spiegelt sich das in einer eigentümlichen Verbindung von
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