Filmwissen
warten wird.
Die bedeutsamste und perfekteste Ausgestaltung fand der negative Held des Genres, der Abenteurer mit Problemen, sicher in den von Humphrey Bogart dargestellten Figuren, und es ist gewiss auch kein Zufall, dass diese gleichsam die Fortsetzung seiner Gangster-Rollen aus den dreißiger Jahren sind. Die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges schienen alle optimistischen und fortschrittsgläubigen Weltbilder Lügen zu strafen. Dem technischen stand nicht unbedingt ein moralischer, sozialer Fortschritt gegenüber, so dass man sich daran gewöhnte, dass die großen und hehren Ziele zurücktraten zugunsten bescheidenerer Wünsche, Wünsche auch, die sich mehr auf den Einzelnen als auf die Gesellschaft richteten. Ein egoistischer Pragmatiker beherrscht nun also die Leinwand, der so, wie er ist, geworden ist, weil er die Welt kennt und weiß, dass sie schlecht ist. Nur heimlich ist er ein Moralist, und es ist fast nicht auszumachen, ob er das selber weiß oder nicht. Das «Was kostet die Welt» weicht der Devise: «Der einzige Sinn, viel Geld zu machen, ist es, einem Boss sagen zu können: Fahr zur Hölle!» (Bogart).
So gibt es für den Bogart-Helden zwei Wege (zurück) ins Abenteuer: Der eine ist jenes Wagnis, für das viel Geld in Aussicht steht und damit noch mehr Unabhängigkeit von den Bossen der Welt, der andere ist gewissermaßen der Rückfall in den Idealismus, die Wiederkehr der beiseite geschobenen Moral. Fast immer ist es eine Frau, die diese Rückkehr herbeiführt; manchmal wird dabei aus dem Egoismus des einzelnen der Egoismus des Paares, aber gelegentlich kommt dabei auch so etwas wie eine Verantwortung für die Mitwelt zum Tragen. Da erscheinen Momente des Verzichtes und der Trauer, die man mit dem Gestus der Härte verbirgt.
Zur Botschaft des Bogart-Typus im Abenteuer gehörte also, dass er im Kern nicht der war, für den man ihn halten mochte. Seine Härte war nur die Widerspiegelung der Verhältnisse. Die Geschichte selbst schien ja nicht mehr zu retten, so muss man sehen, wo man selbst bleibt und vielleicht noch ein Freund und eine Frau, und wie man einigermaßen aufrecht bleibt dabei.
«Als Hitler brutalere und obszönere Drehbücher in Szene setzte, als sie sich Nord-Chicago oder Warner Bros. jemals hätten träumen lassen, war Bogart der einzig mögliche Gegner mit der Aussicht, ihn zu überlisten und zu überleben.» (Cooke)
Ökonomisch gesehen waren alle diese herb romantischen Helden Bogarts Kleinunternehmer, Selbstständige – Privatdetektiv, Barbesitzer, Bootsvermieter – sie sind nicht mehr Herren der sieben Meere und Glückbringer für alle, allenfalls Boss einer kleinen autarken Insel. Aber weder die Weltferne dieser Insel noch der Opportunismus ihres Bewohners gegenüber den politischen Machthabern kann verhindern, dass er ins Weltgetriebe verwickelt und zu Entscheidungen gezwungen wird. So muss er zeigen, dass er die Dinge der Welt beherrscht und dass er in letzter Konsequenz gerecht ist, auch dort, wo sein Eintreten für eine Sache weder Aussieht auf Erfolg noch Vorteil für ihn selber bereitzuhalten scheint. Gerade wo er «gut ist», das heißt professionell zu Werke geht, schimmert durch, dass er auch ein «guter Mensch» ist.
Der Bogart dieses Typs ist immer ein Mann mit Vergangenheit, dessen Lehrjahre ihn nicht als nützliches Glied der Gesellschaft integriert haben, die ihn aber trotz gründlicher Desillusion auch nicht zerstört haben. Aus der Perspektive des Abenteuers gesehen ist er der müde, resignierte Held, der das «Große» als schönen Schein erkannt zu haben glaubt und als einzigen Ausweg nur sich selbst zum Maßstab für sich macht. Sein Rückfall in Moral und Abenteuer zugleich ist auch ein Schauspiel: Aus Liebe zu einem oder mehreren Menschen rettet er die Idee der Gerechtigkeit, die er für sich selber bereits abgetan hat – dass dieser Held freilich auch in gefährlicher Nähe des bis in den Wahnsinn selbstsüchtigen, kranken Abenteurers liegt, zeigt Bogart in der Rolle des Dobbs in The Treasure of the Sierra Madre ( Der Schatz der Sierra Madre ; 1948, Regie: John Huston). Als Arbeits- und in jedem Sinne Heimatloser jeder Möglichkeit des Rückzugs auf ein autarkes Inselreich (oder was dafür stehen kann) beraubt, ist für Dobbs – vielleicht wie in der Wirklichkeit – Überlebenskampf und Abenteuer in eins gesetzt. Es gibt für ihn, anders als für seine Begleiter, kein Gefühl mehr für die Ästhetik, die Choreografie des Abenteuers, dessen Geist er
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