Filmwissen
gestrandet sind. Doch bei allem Realismus weist ein symbolisches Bild von einem Gitter auf die Absicht des Regisseurs, die Situation der Protagonisten als Gleichnis für die Existenz des modernen Menschen zu entwickeln. Gelegenheit zur scheinbar befreienden Tat bietet sich, als die ortsansässige Ölfirma vier Männer für ein «Himmelfahrtskommando» sucht. Zwei Lkw-Ladungen hochexplosiven Nitroglyzerins, mit dem ein Bohrlochbrand erstickt werden soll, sind durch unwegsames Gelände zum Brandort zu fahren.
«Vier Männer wagen das Spiel mit dem Tod, das den Gewinnern 2.000 Dollar bringt: der Korse Mario (Yves Montand), der Ex-Gangster Jo (Charles Vanel), der Italiener Luigi (Folco Lulli), der Deutsche Bimba (Peter van Eyck). Die gefährliche Fahrt, auf der jede Unebenheit die Ladung zur Explosion bringen kann, beginnt. Schon bald verliert der großsprecherische Jo die Nerven: aber sein Beifahrer Mario will nicht aufgeben – auch nicht, als der Wagen von Luigi und Bimba in die Luft geflogen ist. Mario wagt jedes Risiko. Als es gilt, den Krater zu durchfahren, den die Explosion des anderen Wagens gerissen und den eine zerfetzte Ölleitung mit Öl gefüllt hat, überfährt er mit zusammengebissenen Zähnen auch seinen Freund Jo, der ausgerutscht und vor den Wagen gefallen ist. Jo ist schwer verletzt; und als Mario endlich auf dem Ölfeld ankommt, zieht man ihn tot aus dem Wagen. Mario erhält dadurch sogar 4.000 Dollar. Aber auf dem Rückweg vergisst er im Rausch des Glücks alle Vorsicht und verunglückt tödlich.» (Krusehe/Labenski)
Der Lohn der Angst – 2.000 Dollar – ist lächerlich gering, gemessen am Risiko für die Fahrer und an dem Wert, um den es für die Ölfirma geht. Dadurch wird der Abenteurer auch gekennzeichnet gleichsam als «letzte Reserve» in einer Kette von Ausbeutungs- und Machtverhältnissen. Der Nachfahr dieses Abenteurers aus Clouzots Film mag heute der Atomkraftwerksreiniger sein, der sich erhöhter Gefahr aussetzt, ohne dass dies auch nur im geringsten honoriert würde. (Auch hier wird man rekrutieren, wer nichts anderes mehr zu verkaufen hat als seine Haut.) Zur Gefahr kann dieser Abenteurer nur das Verhältnis eines Picaro haben, der damit leben muss, ob er will oder nicht, und der das Beste daraus zu machen versucht. Zu den Qualitäten des Schelms zählte ja nicht nur das Komische, im Film vertreten durch den Italiener Luigi mit seinem Galgenhumor, sondern auch Hinterlist und Hochstapelei, repräsentiert durch den Möchtegerngangster Jo – und eben auch Egoismus und Skrupellosigkeit. Wenn Mario seinem Partner Jo wissentlich das Bein kaputtfährt, so verweist dies auf die Ausweglosigkeit seiner Lage; er folgt darin aber auch der zynischen Brutalität seines Urahnen, des Lazarillo von Tormes, der seinen blinden Partner um des eigenen Vorteils willen zu Fall bringt und ihn, wie es heißt, «halb tot und mit aufgeschlagenem Kopf» zurücklässt. Da geht es um eine soziale Konstellation, die es gibt, seit und solange es die Konkurrenz derer gibt, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, und deren pervertierter Exponent der Söldner ist, der letztlich für sein tägliches Brot Unschuldige tötet, Freund und Feind je nach Bezahlung definierend. Der Abenteurer dieses Films ist ein Zwischenglied zwischen dem swashbuckler und dem modernen «Abenteurer», den sein (Un-)Wesen in den Krieg treibt. Nicht zufällig, sondern als Abbildung einer Realität, in der die Söldner-Mentalität sieh im Alltag verbreitet, ist es der Krieg, der – einerlei ob mit kritischer Intention gezeichnet oder heroisch verklärt – die Kulisse für moderne Abenteuer abgibt. Und auch der Abenteurer der Zukunft, so wie er sich in der Phantastik, in Science-fiction und Fantasy zeigt, ist mehr oder weniger offen ein Kriegsheld, der auch materielle, egoistische Ziele verfolgt.
Die Gefahr, zum rein formalen Betrieb zu verkommen, ist im Abenteuer seit je angelegt, dessen erster Held, der Ritter, von wirklicher politischer Verfügung ausgeschlossen, zur individuellen Selbstbestätigung mit Chimären – zuletzt mit Windmühlen – vorliebnahm. In Le Salaire de la peur ist es das formalästhetische Interesse an einer Konzeption des «Kontrastes von Mut und Angst» (Clouzot), die umgesetzt wird durch eine «Mechanik des Schocks» (Gregor/Patalas), gespiegelt in einer mehr oder minder nihilistischen Sicht auf die Helden. So hebt sich letztlich das Abenteuer in der Mechanik des suspense auf, wobei der Mut zum Mittel wird, die
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