Filmwissen
erschossen. Laetitias Anteil wollen die Freunde ihren Angehörigen zukommen lassen, die sie in der Bretagne aufsuchen. Abgestoßen durch deren spießiges Misstrauen, wollen sie unverrichteter Dinge wieder abziehen. Als sie aber entdecken, dass der sympathische Junge, der sie durch das Heimatmuseum des Küstenortes geführt und ihnen die Reliquien der imperialen Abenteuer Napoleons in Ägypten erläutert hat, Laetitias Vetter ist, richten sie für ihn ein Konto ein. Roland bleibt in dem Dorf und kauft das Kastell im Meer, von dem Laetitia immer geträumt hatte. Manu setzt sich ab, kehrt zurück und wird schließlich von den Mördern Laetitias erschossen, die die Verfolgung nicht aufgegeben haben. Roland rächt ihn, und der Film klingt aus mit einer langen Einstellung des sich immer weiter entfernenden Kastells – das zu Stein erstarrte Bild von Piratenschiff und Insel und aller Abenteuerträume.
Mit der Freundschaft Rolands zu Laetitias Vetter nimmt der Film gleichsam einen dritten Anlauf. Doch nichts hält die Desillusion mehr auf. Als Roland, dem auch nichts Besseres mehr einfällt, als aus dem Kastell ein lächerliches Vergnügungshotel zu machen, seinem Schützling die Technik des Verbrennungsmotors erklärt, provoziert er statt Erfindergeist Unverständnis und die altkluge Auskunft, dass man Autos kaufen könne.
Ohne dem Zuschauer jemals das Vergnügen am Abenteuer zu verleiden, lässt Enrico ihn doch auch an der Trauer teilnehmen darüber, dass es eben das Vergnügen an Träumen, an Illusionen ist, die ihren Ort im Museum haben und im Kino.
Wenn Les Aventuriers das Wesen des Abenteuers und seinen Widerspruch zur geordneten Welt westlicher Zivilisation durch Reflexion und ironische Umkehr der etablierten Topoi beschreibt, so versucht Barbet Schroeder dies, indem er in die entgegengesetzte Richtung geht. In La Vallée (1972), einer «Mischung aus Jules Verne und Hermann Hesse» (Jean-Louis Bory) , versucht er mit einer Filmsprache aus archaischen Bildern und Vorstellungen das Abenteuer als metaphysische Reise ins Geheimnis zu gestalten. Zwar gibt er der Geschichte von der Wanderung ins gelobte Land einen realistischen Rahmen, nicht aber, um das Geheimnis in ein Scheingeflecht realer Bezüge einzubetten, sondern um es als das ganz andere kontrastierend dagegenzusetzen.
Es geht um ein Tal in Neuguinea. Auf der Landkarte erscheint es als weißer Fleck, und noch nie hat es einer betreten. Wunderbare Vögel soll es dort geben. Eine französische Konsulin und Boutiquebesitzerin will mit den Federn dieser Traumvögel ihr Sortiment erweitern. Zwei zivilisationsflüchtige Hippiepärchen, die mit der westlichen Welt abgeschlossen haben, suchen den Frieden im Tal. Je tiefer sie in den Urwald eindringen, je näher sie dem Tal kommen, desto mehr schwindet ihre Distanz zur Natur. Gesellschaftliche Konventionen werden bedeutungslos. Moralische, psychologische und rationale Schemata verlieren ihre fortwährende Kraft; die Reise gerät zum Selbsterfahrungstrip, und entsprechend dieser Entwicklung ändert sich der Aufnahmestil. Anfänglich beobachtet die Kamera die Zeremonien und Kriegstänze der Eingeborenen mit ethnografischer Neugier. Doch der wissenschaftliche Blick weicht nach und nach einem gefühlsmäßig gelenkten. Obgleich sich die Gruppe dem Verhalten und dem Naturverständnis der Eingeborenen annähert, nährt La Vallée nicht den Mythos vom guten Wilden. Schroeder befreit die Eingeborenen von dieser romantischen Projektion, indem er den Schlüssel zu einer anderen Welt jenseits von Gut und Böse symbolisch in den Federn der Paradiesvögel, an deren Warenwert längst keiner mehr denkt, gibt. Feierlich versöhnen sich die Menschen mit der vorzivilisatorischen Natur. Das Tal öffnet sich, das Paradies scheint erreichbar. Doch diese Reise zurück in den «Schoß der Erde» findet kein Ende; das Metaphysische entzieht sich dem Blick der Kamera.
Die Reflexionen des Kinos in der Nouvelle Vague wirkten bis zu einem gewissen Grad auch auf die amerikanischen Vorbilder zurück. Samuel Fuller, zum Beispiel, den Truffaut bewunderte, weil er «nicht zu kritisierendes, makelloses Kino, gegebenes Kino und nicht angeeignetes, verdautes oder reflektiertes» mache, übernahm in Shark ( Hai/Outsider ; 1969) vor allem stilistische Elemente des Schnitts und der Kameraführung von der Nouvelle Vague.
Auch Shark ist eine Schatzsuchergeschichte. Ein Trio, bestehend aus einem Wissenschaftler (Barry Sullivan), der attraktiven Anna (Siliva
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