Filmwissen
durch das Abenteuer stolpert, ohne im Kern zu verstehen, was an Intrigen und Täuschungen vor sich geht. Neu an de Brocas Film ist, dass der Held für die heldenhaftesten Taten auch noch beschimpft wird, und dass, was immer er anstellt, niemand es anerkennend zur Kenntnis nimmt, in letzter Konsequenz nicht einmal er selbst. Und neu ist schließlich auch die desillusionierende Auflösung des Abenteuers. Die Metapher von den alles plattwalzenden Bulldozern, die kein Geheimnis und kein Abenteuer übriglassen, zeigen das Gegenstück, vielleicht die andere Seite des Abenteurers: den rücksichtslosen Technokraten. Die Rahmenhandlung – erzähltechnische Notwendigkeit der ironischen Doppelbödigkeit – mündet in der Entzauberung der großen Reise durch das, was nach ihr noch übrigbleibt: der fade Kampf im Straßenverkehr.
Ähnlich wie Huston in The African Queen distanziert auch de Broca von seinem Helden, indem er die Geschichte durch Zufälle voranbringt und dazu eine Reihe von Slapstick-Elementen einbringt. Adriens
«Habitus ist bewusst der aller übrigen Filmhelden des Reißers in der Umkehrung; zwar tut er immer das Richtige, aber immer mit den untauglichsten Mitteln. Er verfolgt schnellfahrende Autos zu Fuß, schwimmt hinter Schiffen her und radelt vergnügt durch Brasilia. In der Schlägerei ist er nur Punchingball für die anderen, bis er von dem entsetzlichen Fusel trinkt, der ihn zuvor fast umgeworfen hätte.» (P. H. Schröder)
Von der Vielzahl der Filmzitate in Brocas Arbeit sei nur die Szene der Rodungsarbeiten aus Robert Flahertys Louisiana-Story ( Luisiana-Legende ; 1946/1948) erwähnt – auch deswegen, weil es Zeit wäre, den «Vater» des Dokumentarfilms auch als den Filmpoeten der naturalistischen Abenteuerlandschaften und seine Filme in gewisser Weise als Abenteuerfilme ohne individuellen Helden zu entdecken. (In diesem Zusammenhang ist vielleicht bemerkenswert, dass Huston seine Aufnahmekonzeption von The African Queen mit Flahertys realistischer Methode verglichen hat.)
L’Homme de Rio durchbricht eine naive Rezeption des Abenteuers durch seine Komik, die freilich zugleich mit einem Lachen über die desillusionierenden Elemente und die entstandenen Brüche hinweggehen lässt. Der 1966 entstandene Film Les Aventuriers ( Die Abenteurer ; Regie: Robert Enrico) dagegen macht sich die Desillusion selbst auf eine anfangs leise und kaum spürbare Weise zum Thema. Enrico entführt den Zuschauer auf eine zauberhafte Reise, indem er die Summe aller Abenteuer zieht. Zugleich aber lässt er keinen Zweifel an der mythischen Qualität des Abenteuers, also seiner Nicht-Realität, ohne sich jedoch auch nur einen Moment lang über seine Helden oder ihre Taten lustig zu machen. Auf diese Weise evoziert er im Betrachter ein merkwürdiges Glücksgefühl mit einer unterschwelligen Melancholie, um dann an unerwarteter Stelle den Zuschauer durch über die Helden hereinbrechendes Unglück zu erschrecken und gegen Ende konsequent aus dem Traum des Abenteuers zu wecken.
Die drei Freunde Manu (Alain Delon), Roland (Lino Ventura) und die später dazukommende Laetitia (Joanna Shimkus), die vor Paris in einem werkstattähnlichen Schuppen leben, spielen die verschiedensten Formen des Abenteuers durch. Roland «spekuliert die Elemente »; er baut an einer den Motorrennsport revolutionierenden Konstruktion. Manu setzt mit waghalsiger Kunstfliegerei die Naturgesetze außer Kraft, und Laetitia (das bedeutet die Freude) schweißt aus wertlosem Schrott zeitlose, schöne Mobiles. Doch alle drei scheitern auf dem Weg vom Traum zur Realität. Manu wird der Pilotenschein entzogen, nachdem er versucht hat, durch den Arc de Triomphe zu fliegen; Laetitias Projekte werden nach einer ambitionierten Ausstellung von der Presse verrissen, und Rolands Traumauto sprengt seinen Erfinder auf einer Probefahrt beinahe ins Jenseits. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, tun sie das, was sie auf andere Weise schon die ganze Zeit getan haben: sie spielen. Diesmal ist es Roulette, und es wird – natürlich – nach «System» gespielt – und verloren. Also «steigen Manu, Roland und Laetitia in den zweiten Teil des Films um – der spinnt die Träume aus» (Uwe Nettelbeck) . Er spielt vor der afrikanischen Küste, zeigt uns Delon vollbärtig und alle drei auf einem Zweimaster, auf Schatzsuche und das Leben genießend. Sie werden fündig durch den Tip eines ehemaligen Söldners, aber Laetitia wird von dessen piratisierenden Buschkriegskameraden
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