Filou: Ein Kater sucht das Glück - Roman (German Edition)
standen sie Spalier, seine Quälgeister, und bogen sich vor Lachen. Die schwarzen Brüder, die Teufelsbraten.
»Er trägt Krawatte!«, höhnte Maurice, der sich mit so was offenbar auskannte. »Und wie die ihm steht!«
»Vielleicht sollte man ihn daran an die Wäscheleine hängen? Damit er endlich trocken wird hinter den Ohren?« Diabolo kratzte sich am Kopf, als ob er ernsthaft über diese Möglichkeit nachdachte.
Nur Garibaldi lag eine Schlägerei näher als Spott. »Gleich gibt’s hier Katzeklinik«, blubberte er und wollte sich an Magnifico vorbeidrängeln. »Weiß wie ich mein?« Doch der Alte gebot ihm mit einer lässig ausgestreckten Pfote Einhalt.
»Spar dir die Mühe! Du hörst doch: Der Kleine ist in den richtigen Händen! Erst legen sie ihn an die Leine, dann werden sie ihn kastrieren, und endlich ist Ruhe im Karton.«
Gedemütigt lief Filou weiter, fröhlich bimmelnd. Er versuchte verzweifelt, den Kopf hochzuhalten, der immer schwerer wurde. Das lag nicht nur an der Dose im Maul. Das lag an einem Volltreffer in seine Katzenehre.
In der Ruelle des Camisards war es kühl und dunkel. Filou tauchte hinein wie in einen schützenden Raum. Hier würde ihm niemand auflauern. Und zur Rue Basse war es nicht mehr weit.
Doch das war ein Irrtum. Denn hier warteten zwei weitere Hauptdarsteller seiner Albträume: Maxim und Manon. Sie betrachteten irgendetwas im Rinnstein, wahrscheinlich eines ihrer armen Opfer. Er machte eine Vollbremsung und betete inständig, wenigstens dieses eine Mal unentdeckt an ihnen vorbeihuschen zu dürfen. Natürlich wurde sein Gebet nicht erhört – sobald er sich bewegte, schepperte das peinliche Glöckchen an seinem Hals.
Die Köpfe der beiden zuckten hoch.
»Maxiiiiim!« Manon kreischte auf, als sie ihn sah. »Nun guck dir den kleinen Teufel an!«
»Der Verbrecher! Schon wieder was geklaut! Schnapp ihn dir!«, brüllte Maxim. Und dann waren sie hinter ihm her.
Wieder rannte Filou um sein Leben, lief mit klopfendem Herzen am Zaun vorbei, hinter dem der Dobermann, der schwarze Mörder, bellte und geiferte, und sprang mit letzter Kraft das Kellerfenster in der Rue Basse hoch. Er legte Luc die Dose vor die Pfoten und kletterte ächzend auf sein Lager auf dem lieben alten Weinfass. Das gute Leben hatte seine Nachteile.
Er schloss die Augen und hörte Luc schaben und kratzen, bis sie die Dose aufgerissen hatte. Hörte sie schmatzen und kauen. Hörte sie schnarchen, als sie satt eingeschlafen war. Es war das Geräusch der Heimat, so ärmlich die auch immer sein mochte. Vielleicht sollte er bleiben, hier, im dunklen, heimeligen Verlies bei Luc.
»Was haben sie denn mit dir gemacht?«
Lucs Stimme riss ihn aus einem Traum, der so grässlich war, dass er für die Störung fast dankbar war.
»Haben sie dich schon kastriert?«
Kastriert! Kastriert! Was war das überhaupt? Und warum redete alle Welt darüber?
»Nein – wieso?«, fragte er vorsichtig.
»Du trägst ein Halsband.«
»Na und?«
»Nur Kastraten tragen Halsbänder«, sagte Luc verächtlich.
Filou erhob sich von seinem Lager, streckte sich ausgiebig und gähnte. Und schon meldete sich zurück, was er verdrängt hatte. Das Glöckchen bimmelte.
Im Nu hatte sich auch Luc erhoben, mit gesträubtem Fell und glühenden Augen. »Und nur Sklaven tragen eine Bimmel um den Hals!«, zischte sie. »Sieh bloß zu, dass du das Ding wieder loswirst! Verschwinde!«
Seit Zsazsas Tod hatte ihm nichts mehr so weh getan. Luc verstieß ihn. Sie verjagte ihn. Er hatte keine Heimat mehr. Mit einem klagenden Laut sprang Filou aus dem Fenster.
Bimmelnd lief er hinüber zu den Gärten am Bach, zum Gespött aller Mäuse, Eidechsen und Vögel, hockte sich auf die Mauer und dachte angestrengt nach. Es gab nur eins: Er musste das Mal seiner Demütigung, das Zeichen der Unfreiheit, wieder loswerden. Aber wie?
Mit Maul und Zähnen kam er nicht an das Glöckchen heran, auch seinen Krallen widersetzte sich das Ding. Und als er die Pfote zwischen Hals und Halsband steckte und zog, hätte er sich beinahe selbst erwürgt. Das Halsband lag eng an, und es wollte ihm einfach nicht gelingen, es zu lockern. Auch schien es recht robust zu sein, es würde schwer, ja unmöglich sein, es zu zerreißen. Wieder schob er die Pfote zwischen Hals und Halsband und prüfte den Abstand zwischen beiden. Es war knapp – aber vielleicht würde es ihm gelingen, das Ding abzustreifen.
Er senkte den Kopf, hob die Vorderpfoten bis hinter seine Ohren, krallte sich in das
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