Filou: Ein Kater sucht das Glück - Roman (German Edition)
hob den Kopf. Zwischen Josephines entzückenden weißen Vorderpfoten ruhte eine weitere Glückskatze, die genau wie sie einen roten Streifen über der Stirn trug.
»Jetzt hast du eine Familie.«
Es sah ganz danach aus. Er war nicht mehr einsam. Und er hatte eine Aufgabe. Die Kleinen mussten gesäugt werden. Josephine brauchte genug zu essen. Er spürte, wie sich seine Kräfte regten. Das war eine Herausforderung, der er sich gewachsen fühlte.
EINUNDDREISSIG
D as Leben war so hektisch wie zu den schlimmsten Zeiten mit Luc – Filou war ohne Pause unterwegs, auf der Suche nach etwas Essbarem für seine kleine Familie. Aber es machte ihm nichts aus, im Gegenteil. Er tat es gern. Er wurde gebraucht – und er wurde reich dafür belohnt.
Wenn er nach Hause kam, stürzte Josephine sich keineswegs ausgehungert auf das Futter, was er gut verstanden hätte. Nein, sie lockte ihn auf ihr Lager und leckte ihm zärtlich die Stirn. Erst, wenn die Kleinen zu ihm liefen und vor lauter Eifer übereinanderpurzelten, wenn sie nach seinem Schweif haschten, ihn mit ihren kleinen Krallen beharkten, auf ihn stiegen, um quiekend wieder von ihm herunterzurutschen, erst dann wandte sie sich den Brocken zu, die er mitgebracht hatte, und versuchte, manierlich zu essen und nicht zu schlingen.
Auch schimpfte sie nicht, wenn er vor Erschöpfung zu lange schlief, sondern kuschelte sich an ihn und wollte ihn kaum weglassen. Sie beklagte sich nicht, wenn er nur mit einem abgenagten Hühnerbein oder einem trockenen Stück Brot nach Hause kam, sondern fragte besorgt, ob wenigstens er anständig gegessen habe. Was für ein Unterschied zu Luc! Seine ehemaligen Kampfgefährten hatten unrecht. Katzen waren nicht das Übel dieser Welt. Nur manche von ihnen.
Manchmal, wenn Josephine die Kleinen gesäugt hatte und ihr vor Müdigkeit die Augen zugefallen waren, sah er sie lange an, bis sein Blick verschwamm. Sie, Mabelle und Monpti waren das Schönste, was er jemals gesehen, gerochen, berührt, geliebt hatte.
Ob man ihm sein Glück anmerkte? Ob es am Stolz auf sein Familienleben lag, dass die Menschen neuerdings so ganz anders zu ihm waren?
»Zu so einem schönen Kater wie dir muss man einfach nett sein«, meinte Josphine, die Schmeichlerin. »Und wenn sie wüssten, welche Schätze du behütest, wären sie gewiss noch großzügiger!«
»Und wenn es an – Weihnachten liegt? Alle reden davon!«, hatte er eingewandt, obwohl ihm ihre Schmeichelei guttat.
Josephine dachte nach. »Weihnachten«, sagte sie schließlich. »Davon hat auch die Nachbarin gesprochen, die mich eine Weile gefüttert hat, als Ma Dame ins Heim kam. Sie meinte, dass man zu Weihnachten keine kleinen Katzen verhungern lassen dürfe!«
Also sonst schon? Ganz leuchtete Filou das Argument nicht ein. Doch auf seinen Streifzügen durchs Dorf hörte er das Wort immer wieder.
»Die Kinder kommen zu Weihnachten«, sagte die Bäckersfrau zu einer ihrer Kundinnen, einer alten Dame, der sie eine große Papiertüte mit Baguettes ans Auto trug. »Darauf freu ich mich das ganze Jahr!«
Auch das heiße rote Getränk, das der Mann mit der roten Zipfelmütze neben der mit roten Kugeln geschmückten Tanne auf der Grande Rue ausschenkte und das sich Glühwein nannte, stand mit Weihnachten in Verbindung. Filou schloss aus alledem, dass Weihnachten eine günstige Sache für Katzen und Kinder war und etwas mit der Farbe Rot zu tun hatte.
Als er in die Rue des Fleurs einlief, standen die Frauen vor dem Metzger Schlange, während die Männer vor dem Café und dem Maison de la Presse rauchten und ein Schwätzchen hielten.
Er lief hinüber zu den dick vermummten Damen, die geräumige Einkaufstaschen neben sich stehen hatten, aus denen es verheißungsvoll roch. Hier rechnete er sich heute die besten Chancen aus.
Er setzte sich vor ein Paar kräftige Lederschuhe, in denen Beine in Strickstrümpfen steckten. »Heute geht’s ja noch!«, sagte die Frau, zu der die Beine gehörten. »Aber es soll ja wieder schneien!«
»Eine weiße Weihnacht! Wie hübsch! Wann hatten wir das schon mal?« Die andere trug kräftige Winterstiefel über blauen Hosen, roch nach Pferd und war jünger.
»Das gab’s hier noch nie! Aber wenn du mich fragst: Ich brauch das nicht.«
»Und dann erzählen sie uns dauernd, es würde immer wärmer!«
Eine der beiden hatte gemerkt, dass Filou ihnen aufmerksam zuhörte. Die Frau in den Stiefeln. Sie beugte sich hinab und tätschelte ihm den Kopf. »Und was wird aus dir, du kleiner
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