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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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ihrem Agenten telefoniert. Das ist eine Superchance, hatte der Agent gesagt, lass dich gut verkaufen, aber lass dich nicht verheizen. Und bevor dieser Torino dich fallen lässt, lässt du ihn fallen. Unser Ziel ist Hollywood, klar?
    Klar, hatte sie gesagt.
    Sie schaute auf das Display ihres Handys.
    Eine US-Vorwahl.
    Hollywood?
    Andiras Herz schlug schneller.
    Sie nahm das Gespräch an. »Hallo?«, sagte sie.
    »Hallo.« Eine Stimme mit amerikanischem Akzent. »Ist da Andira Althaus?«
    »Ja.« Sie warf ihre Sporttasche aufs Bett und ging ins Wohnzimmer. »Mit wem spreche ich?«
    »Wir haben uns gestern kurz gesehen, in der Sendung mit Albert Torino. Hier ist Tom Myers von Xenotech.« Eine kurze Pause. »Du weißt, wer ich bin?«
    Ihr Herz schlug noch schneller. Und ob sie das wusste! Xenotech. USA. Kalifornien .
    »Sie sind Managing Director, nicht wahr? Sie sind für die Filmrechte auf Xenotube zuständig?«
    »Das und vieles mehr«, sagte die Stimme. »Pass auf, ich habe nicht viel Zeit. Dein Auftritt gestern war allererste Sahne. Aber du bist zu schade nur für Deutschland. So eine wie du kann in den USA eine große Nummer werden.« Wieder eine Pause. »Willst du groß rauskommen?«
    Sie glaubte zu träumen. Hollywood. Beverly Hills. » Na logo!«
    »Pass auf«, sagte Myers, »ich bin im Hilton am Gendarmenmarkt. Mein Fahrer kommt gerade von Tegel zurück. Er hat ein paar Koffer aus den USA für mich abgeholt und fährt durch Wedding nach Mitte. Er könnte dich mitnehmen, und wir reden dann im Hilton. Kann er dich unterwegs aufsammeln?«
    Sie dachte an einen Termin, den sie gleich hatte, und löschte ihn sofort in einem imaginären Kalender.
    »Klar, Müllerstraße achtunddreißig, Ecke Seestraße. Wenn der Fahrer aus Tegel kommt, kommt er genau da vorbei.«
    »Klasse. Ich rufe ihn an. Sei am besten in fünfzehn Minuten unten. Bis gleich.«
    Er legte auf.
    Andira war glücklich wie selten zuvor.
    Sie würde die nächste Viertelstunde nutzen, um sich schick zu machen und dann, mit Sonnenbrille und Mütze, damit nicht jeder sie erkannte, auf den Fahrer warten.

4.
    Wenn Clara nicht weiterwusste, betete sie. Um Klarheit, Stärke und Kraft. Mehr Kraft, als sie besaß.
    Sie kniete in der kleinen Kapelle des Krankenhauses, den Blick auf den Altar gerichtet, wo Jesus am Kreuz hing, die Nägel durch Hände und Füße getrieben. Wenn Clara lange genug hinschaute, kam es ihr so vor, als würde Blut aus den Wunden sickern. Vielleicht war das einer der Nachteile ihres Jobs, dass jegliche Inszenierung von Gewalt und Tod für sie immer etwas Reales hatte. Vielleicht war es aber auch ein Zeichen. Vielleicht war sie es selbst, die blutete. Vielleicht war sie es, die wie Jesus sterben musste, um als neue, stärkere Clara wiederaufzuerstehen.
    Das Gespräch mit der Krankenschwester und Winterfeld hatte sie für kurze Zeit abgelenkt; jetzt aber waren die Bilder wieder da. Die Bilder und die Erinnerungen.
    Sie zitterte noch immer, trotz der Beruhigungsmittel, während sie gegen die Tränen ankämpfte und immer wieder das Bild des Grabsteins vor ihren Augen auftauchte. Und diese Bestie, Ingo M., hatte auf der Beerdigung neben ihr gestanden. Hatte ihre Schwester nicht nur vergewaltigt und getötet, sondern sie selbst im Tod nicht in Frieden gelassen.
    Sie presste ihre gefalteten Hände so fest zusammen, dass die Knöchel weiß hervortraten und ihre Hände wie eine Faust erschienen, mit der sie dem Namenlosen den Schädel zerschmettern wollte.
    Du hasst den Namenlosen, aber Ingo M. hasst du noch mehr, oder?, fragte sie sich. Und weil der Killer, den du fangen wolltest, schon tot ist, musst du jetzt den fangen, der noch lebt.
    Clara musste sich eingestehen, dass nicht die Morde an den jungen Frauen der Hauptgrund waren, weshalb sie den Namenlosen fassen wollte. Es war die Tatsache, dass der Namenlose Ingo M. getötet hatte. Den Mann, den sie ein Leben lang gejagt hatte. Den Mann, wegen dem sie zum LKA gegangen war und der ihr Leben zu einem Albtraum aus Schuld und Versagen gemacht hatte.
    Clara hasste den Namenlosen, weil er die Bestie getötet hatte, die sie selbst töten wollte – töten musste , um wieder Frieden zu finden.
    Doch nun kniete sie hier in der Kapelle des Krankenhauses, offiziell arbeitsunfähig, und die Kollegen vom LKA berieten mit Bellmann, ob sie weiterarbeiten könne. Doch Bellmann konnte stur sein. Vielleicht zog er sie von dem Fall ab, sodass jemand anders den Killer verhaftete und die potenziellen letzten Opfer

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