Finale auf Föhr
Vordermann – eher auf Vorderfrau, dachte sie wortspielerisch – gebracht, all die überholten Mitteilungen entsorgt oder aktualisiert.
Vor dem Zimmer der Kieler Kripokollegen blieb sie kurz stehen und horchte. Alles ruhig. Wahrscheinlich keiner da. Sie klopfte, drückte die Klinke herunter. Verschlossen. Nun gut, gab es eben keinen Kaffee für die Herren. Wahrscheinlich saßen die noch im Hafenhotel am Frühstückstisch. Vielleicht waren sie auch schon unterwegs, ermitteln. Ohne sie!
Ina stand wie geistesabwesend mit der Kaffeekanne in der Hand vor dem Schwarzen Brett auf dem Flur. »Nun, was gibt es da Interessantes?«, fragte der Chef mit leicht spöttischem Unterton. Sie hatte nicht bemerkt, wie er herangekommen war! »Gibt es noch etwas auszutauschen? Oder wollen Sie doch in den Bund Deutscher Kriminalbeamter eintreten?«
Mist! Wie lange hatte der Chef schon da gestanden und sie beobachtet? »Entschuldigung«, sagte sie lahm, »ich ... mir sind die Sachen von gestern noch durch den Kopf gegangen, die ... ja, als ich mit den Kriminalkommissaren unterwegs war.«
»Aha, man beobachtet, sortiert und kombiniert«, sagte Asmussen. Machte er sich über sie lustig? Aber das klang eigentlich nicht so. »Kommen Sie herein, erzählen Sie mir, was in Ihrem Kopf herumspukt!«
Sie! In sein Dienstzimmer! Erzählen! Was im Kopf herumspukt! Schock! Ina Meyer riss sich zusammen. Keep cool and lazy, Mädel, mahnte sie sich. Sie folgte ihm, stellte die Kaffeekanne vorsichtig auf den Tisch neben die dort liegende Zeitung, nahm am Schreibtisch Asmussen gegenüber Platz. Sie wollte die Beine übereinander schlagen, überlegte es sich dann aber anders und hielt mitten in der Bewegung inne. Unwillkürlich strich sie über ihre Haare.
»Möchten Sie auch einen Kaffee?«, fragte der Hauptkommissar und nahm die Kanne auf. Ina lehnte ab. Sie trank meistens Tee, und jetzt hatte sie gar keinen Durst. »Sie werden es mir nachsehen, dass ich mich aber bediene«, sagte der Chef lächelnd, goss sich seinen blauweißen großen Pott, auf dem die Schiffe der Feringer Inselreederei abgebildet waren, halb voll und füllte aus einer kleinen blauen Kanne Milch auf. Die Becher hatte Ina im Reedereigebäude erstanden.
»Nun«, fragte Asmussen, »was ist Ihnen besonders aufgefallen?« Die Polizeischülerin berichtete von der Vernehmung der Frau Siewering und ihrer Kinder, der Haushälterin und des Hafenmeisters im Yachthafen. Auch das Gespräch mit dessen Nichte gab sie wieder, berichtete von der Anmache Siewerings und einem Streit der Eheleute. Asmussen hörte aufmerksam zu. Sie gewann beim Reden immer mehr Sicherheit. Der Chef stellte keine Fragen, sah sie nur aufmerksam an, nickte hin und wieder. Sie endete mit der Schilderung der zufälligen Begegnung mit dem jungen Siewering am Deich. Den wahren Grund ihres Interesses an dem jungen Mann verschwieg sie. Das war ja auch nicht zielführend, wie Asmussen immer sagte.
Er forderte sie auf: »Beschreiben Sie doch bitte die äußere Erscheinung von Frau Siewering, relevante körperliche Merkmale, Kleidung und Schuhe, Sprache und sonstige Verhaltensmerkmale.«
Ina Meyer wunderte sich. War das eine Prüfung? Aber diese Aufgabe fiel ihr sehr leicht. Sie gab wieder, was sie gesehen hatte und was ihr an der Frau aufgefallen war. Sogar an abgebrochene Fingernägel und ein paar kleine Schrammen an den Händen und den Unterarmen konnte sie sich noch erinnern.
»Und was ziehen Sie für Schlüsse aus Ihren Beobachtungen?«, fragte er schließlich.
Ina Meyer zögerte, dann sagte sie: »Ich habe einfach zu wenig Informationen. Die Frau wurde ja betrogen und wusste das auch. Die sollten wir auf jeden Fall noch einmal aufsuchen. Interessanter finde ich aber den Streit, von dem der Hafenmeister erzählt hat. Der Petersen muss möglichst schnell befragt und überprüft werden. Auf dem Schiff könnte er Spuren hinterlassen haben.«
Asmussen unterbrach sie: »Die kriminaltechnische Untersuchung läuft noch. Aber bald haben wir mehr in der Hand.«
Ina fuhr fort: »Bei der Frau könnte Eifersucht oder Rache das Motiv sein. Oder Habgier, sie will alles erben. Das muss natürlich erst untersucht werden. Sie hat jedenfalls kein belastbares Alibi für die Nacht. Angeblich war sie in ihrem Bett, die Haushälterin ist viertel vor elf weg, und danach? Und dann: Abgebrochene Fingernägel und Schrammen, das passt, find ich, nicht zu der ansonsten perfekten Erscheinung. Natürlich gibt’s da eine Menge möglicher
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