Finale auf Föhr
Klaus-Henning ein karrierefixierter Unsympath. Dem schuldete er schon überhaupt nichts.
Caroline hatte inzwischen ihre Tränen getrocknet und bat ihn um Verzeihung, dass sie ihn mit ihren Angelegenheiten behelligt habe.
»Bitte entschuldigen Sie sich nicht«, bat Carl, »ich verstehe Sie sehr gut. Wahrscheinlich würde ich das Gleiche tun. Wollen wir uns irgendwo einen Augenblick hinsetzen?« An dieser Stelle war der Strand fast schon menschenleer. Sie gingen zum Deich und setzten sich an seinem Fuß nebeneinander in den Sand. Hier war es warm und windgeschützt.
»Nun sagen Sie mir, warum ich? Warum vertrauen Sie sich ausgerechnet mir an? Sie kennen mich doch gar nicht«, fragte Carl.
»Als ich Sie zum ersten Mal sah, da bekam ich fast einen Schock. Sie haben große Ähnlichkeit mit Martin. Ich dachte schon, er wäre es, als ich Sie bei der Wattwanderung am Deich bemerkte. Deshalb wurde ich auf Sie aufmerksam. Und als Catherine Sie zu Fall brachte und Sie so verständnisvoll reagierten, das fand ich sehr schön. Ja, und nun ... wie soll ich es sagen, ich habe einfach beschlossen, Ihnen zu vertrauen. Ich habe sonst niemanden, dem ich vertrauen kann.«
»Vertrauen Sie mir«, bat Carl ruhig. Sie nickte und legte erneut eine Hand auf seinen Arm. Diesmal etwas länger. Er nahm sie und streichelte sie. Caroline lehnte sich an ihn. So saßen sie eine Weile stumm im Sand und blickten über die See hinaus auf Amrum. Er hielt ihre Hand in beiden Händen. Ihr Kopf ruhte an seiner verletzten Schulter. Aber er bemerkte die Schmerzen gar nicht ...
Langsam gingen sie zurück, am Strand entlang. Die Surfer waren mittlerweile fast alle auf dem Wasser, nur zwei junge Männer waren noch mit ihren Brettern am Ufer beschäftigt. Carl und die junge Frau blieben in ihrer Nähe stehen, um dem Treiben einen kurzen Augenblick zuzusehen. Die Geschwindigkeit der Surfer war enorm, sie flogen auf ihren Brettern förmlich dahin. Sie rasten hinaus aufs Wasser, dann wieder zurück, auf das Ufer zu, immer hin und her. Einer verpatzte ein Wendemanöver und flog mit Schwung in die flachen Wellen.
»Geil, Alter«, rief ein junger Mann am Ufer einem anderen zu. »Hast du das gesehen? Die Karin hat’s endlich auch mal erwischt. Wurde absolut Zeit, dass sich die Alte mal hinlegt, so wie die sonst die Landesmeisterin raushängen lässt.«
»Okay, okay«, pflichtete der andere bei, dem Tonfall nach eher pro forma. »Aber die ist einfach gut, das musst du zugeben. Nach der Inselumrundung saß die schon lange geduscht an der Theke, als der Letzte aus der Gruppe endlich ankam.«
Carl und Caroline gingen weiter. Sie hatten wahrlich andere Probleme.
Franz Branntwein packt zu
Renata, mit heißem Schlick unter dem Rücken und mit Laken und einer Decke fest eingewickelt auf der Liege, war kurz davor einzuschlafen. Erst der Alkohol, und dann war die Nacht ja auch etwas kürzer gewesen ... In diesem Moment polterte Franz Branntwein herein. »Aufgewacht, junge Frau!«, dröhnte er gut gelaunt, »jetzt geht’s dem Kater ans Fell!« Franz Branntweins Spezialmassage, verkündete er, vertreibe zuverlässig jeden alkoholischen Kopfschmerz. Nun, das war zu beweisen!
Aber in der Tat: Er massierte Schultern, Nacken und Kopf so wunderbar, dass es ihr schon bald besser ging. Der dumpfe Druck wich, der Kopf wurde allmählich wieder frei. Sie entspannte sich. »Haben Sie heute Morgen die Zeitung gelesen?«, fragte sie vorsichtig. »Jetzt haben sie auch noch den Sohn des Reeders tot gefunden. Was kann das nur sein? Ob das ein tragischer Unfall ist? Oder doch Mord?«
Franz Branntwein zeigte sich bestens im Bilde. Sie besprachen eine Weile die verschiedenen Zeitungsartikel, die Ekke Knudsen über den Fall verfasst hatte. Petersen, der Kapitän, war ihm durchaus bekannt. Jeder Einheimische auf der Insel kannte ihn. Einige schätzten ihn, etliche fürchteten ihn, vor allem die Kinder, weil er meistens grob und unfreundlich war. »Petersen«, sagte Franz Branntwein, »ist absolut in der Lage, einen Mord zu begehen. Also ich glaube, dass der was von einem Psychopathen hat. Einen Knacks, wenn Sie verstehen. Und das schon seit der Kindheit! Der war auch immer ein Einzelgänger. Aber einem tüchtigen Seemann verzeihen die Feringer das. Da gibt’s sowieso noch ganz andere Typen auf der Insel! Ja, und dann war da noch die Sache mit seiner Frau und dem Kind. Das hat ihm garantiert den Rest gegeben.«
Renata fragte nach. Das Grab, das sie in Süderende entdeckt hatte, barg
Weitere Kostenlose Bücher