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Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition)

Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition)

Titel: Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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gehört, einen der letzten Sender für Erwachsene; dort kommentierte gerade eine kluge Journalistin den Brandanschlag des Tages, bei dem in der Nähe von Grevenbroich (sie sagte sogar »…broooch«, nicht »…breuch«) ein Asylant aus Afghanistan ums Leben gekommen war.
    »Grevenbroooch«, sagte Gereon; er schob mir einen Korkenzieher und Gläser hin. »Trooosdorf. Rooosdorf. Komisch, daß das so wenige wissen. Die Dame hat’s immerhin drauf. Wahrscheinlich kann sie sogar anständig Sooost und Straaalen und Cooosfeld sagen.«
    »Ich höre, dir geht’s besser.« Ich goß uns ein, legte mein Tabakpäckchen auf den Tisch und schnorrte eine von seinen Roth-Händle. »Du kannst ja fast wieder zetern.«
    »Ich hab doch gar nicht …«
    »Das war so was wie positives Zetern.«
    »Gibt’s das?«
    Ich nickte zum Radio. »Offenbar sind jetzt Afghanen dran; vor Jahren waren’s Türken. Hat sich schon irgendwer dazu bekannt?«
    Gereon schnaubte. »Bekennen! Auch so’n blödes Wort. Aber – nee, nicht daß ich wüßte. Wie sind die denn eigentlich so?«
    »Wer? Afghanen?«
    »Ja. Du bist doch da gewesen.«
    »Fast immer im Camp«, sagte ich. »So richtig Kontakt mit der normalen Bevölkerung hatten wir kaum. Die paar, die ich kennengelernt hab, waren eigentlich …« Ich zögerte. »Anders«, sagte ich dann. »Wie wir, bloß anders.«
    Er lachte. »Jeder Jeck is anders. Wat zählt is, dat wir alle wissen, dat wir jeck sin.«
    »Darauf trink ich. Prost.«
    Da uns die Gründe zum Trinken nicht ausgingen, holte ich später noch eine zweite Flasche. Aber wir blieben furchtbar nüchtern; kein Vergleich mit dem vergangenen Sonntagabend.
    Am Mittwoch hatte ich mehrere seltsame Gelüste. Seltsam nicht grundsätzlich, aber doch für mich in meiner Situation. Zuerst fuhr ich vor dem Frühstück nach Erftstadt, um ein paar richtige Zeitungen und bei einem Bäcker richtiges Brot und Brötchen zu kaufen. Beim Frühstück las ich mehr über den Anschlag; ein Leitartikel erörterte sorgenvoll die Zukunft jener Afghanen, die mit den Alliierten zusammenarbeiteten und nach einem Abzug des Westens wohl Probleme bekämen, falls die Taliban dann an die Macht gelangten. Man müsste dann sicherlich viele Visa ausstellen, aber ob die zuständigen Leute damit wohl schnell genug bei der Hand wären?
    Nach dem Frühstück rang ich ein paar Momente mit dem zweiten der Gelüste; schließlich raffte ich mich auf und rief Coralie an. Sie war gerade dabei, nach Düren aufzubrechen, um dort irgend etwas Amtliches zu erledigen.
    »Wir sollten uns aber noch mal unterhalten«, sagte sie plötzlich. »Mir ist was eingefallen. Und zwar …«
    »Stop. Sollen wir uns in Düren treffen? Vielleicht wär’s besser, komplizierte Dinge nicht am Telefon zu bereden.«
    Sie kicherte. »Ist gar nicht so kompliziert, aber … warum nicht?«
    Zwei Stunden später saßen wir bei Pizza und Barbera, und ich lauschte dem, was der Plappergeist aus der Eifel über die vergangenen beiden Tage zu berichten hatte. Ich lauschte gern, fand die Stimme angenehm und stellte fest, daß sie einen schönen und auf interessante Weise beweglichen Mund hatte, bei dessen Betrachtung ich an ganz andere Beweglichkeiten dachte.
    »Aber das wollte ich dir ja alles gar nicht erzählen«, sagte sie.
    »Mach ruhig weiter; ich hör gern zu.«
    »Ach, mein Geplapper. Aber manchmal hab ich das Gefühl, das ist so was wie ein Ventil, und wenn ich nicht reden kann, dann würde ich platzen.«
    »Bitte nicht hier; der arme Kellner muß das dann alles aufwischen.«
    »Ah ah ah. Kein Mitleid mit mir, bloß mit ihm, was? Aber was ich eigentlich sagen wollte …« Sie beugte sich vor; irgendwie wirkte sie mit einem Mal verlegen. »Ich weiß jetzt wieder, wie ich in dein komisches Kaff gekommen bin.«
    »Laß hören.«
    Sie sprach ganz leise; dabei schaute sie auf den Tisch, auf ihr Glas, auf ihre Hände, aber nicht in meine Augen. »Ich hab dir doch erzählt, daß ich mal mit Oswin zusammen war, ja? Zwölf, dreizehn Jahre her. Noch mehr. Also, Freitag bin ich zu ‘ner Freundin nach Lüttich gefahren, die hatt ich länger nicht gesehen, und aber jetzt plapper ich schon wieder. Reiß dich zusammen, Schneider. Auf der Rückfahrt am Sonntagmorgen will ich in Belgien noch schnell tanken, an der Autobahn, und da steht plötzlich einer neben mir und sagt: ›Ist das etwa Coralie?‹ Ich hab zweimal hingucken müssen, bis ich Oswin erkenn. Und dann das Übliche – woher, wohin, was machst du so. Er hatte irgendwas

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