Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition)
war angeblich mit Hamid bei dessen Leuten und ist dann verschwunden. Niemand wußte was. Das heißt, vielleicht hätte jemand was wissen können, aber ich konnte ja keinen fragen, im Lazarett und danach in Koblenz. Und jetzt bin ich draußen, meine zwölf Jahre waren sowieso um, ich hatte keine Lust mehr. Und« – ich räusperte mich – »mit Oswin bin ich demnächst verabredet.«
Matzbach schwieg. Er schien durch mich hindurchzublicken oder etwas zu suchen, das ich nicht sehen oder auch nur ahnen konnte.
»Was haben Sie denn mit ihm zu schaffen?« sagte ich.
»Hmpf«, sagte er.
»Sehr aufschlußreich.«
»Nicht wahr? Irgendwo hab ich mal gelesen, ›hallo‹ sei ein hilfreiches Wort. Bei mir hilft es nicht. ›Hmpf‹ hilft auch nicht, aber es macht sich gut.«
»Ah ja.«
Er grinste plötzlich. »Ich glaube, es ist an der Zeit, die Tugend und den Gehorsam fahren zu lassen. Ich bin gleich wieder da.« Er stand auf und ging ins Haus.
Ich schaute und lauschte hinter ihm her. Er schien die Haustür zu öffnen – ich spürte einen leichten Luftzug –, aber nicht zu schließen, und bis er zurückkam, vergingen etwa fünf Minuten, in denen ich über dies und das nachdachte.
Mit einem Seufzer – es war eher ein frohlockendes Ächzen – ließ er sich wieder am Tisch nieder. Vor sich setzte er ein Zigarrenkistchen.
»Was wird das?« sagte ich.
»Eine Möglichkeit, die Qualität eines Problems zu beschreiben, na ja, sagen wir, oberflächlich zu erwägen, zu, eh, ermessen, hat Sherlock Holmes uns hinterlassen. Es gibt solche, zu deren Erörterung eine Pfeife zu rauchen ist, und es gibt Zwei-Pfeifen-Probleme, sogar Drei-Pfeifen-Probleme. Ich glaube, wir haben es gerade mit einem Ein-Zigarillo-Problem zu tun.«
»Wenn ich das richtig sehe, haben Ihnen die Ärzte alles mögliche verboten, oder?«
»Alkohol«, knurrte er. »Kaffee. Tabak. Fleisch. Seit dem ersten Kaffee gestern, hier, hab ich zum ersten Mal seit langem keine Kopfschmerzen; der zweite« – er wies auf den halbleeren Becher – »hat meinen Gedanken zu einer gewissen Flüssigkeit verholfen.«
Ich grinste. »Und diese Stäbchen da?«
Er nahm einen Zigarrenschneider – eine Art Taschen-Guillotine – und einen Zigarillo aus dem Kästchen. »Das hier sind leichte Sumatras. Frühstücksstäbchen gewissermaßen. Mal sehen, was sie für mein Befinden tun.«
»Warum haben Ihnen die Ärzte denn all das verboten?«
Er kniff die Augen zu Schlitzen. »Also, um das zu erörtern, müßten wir eine gewisse Änderung vornehmen.«
»Was für eine Änderung? Stühle tauschen? Bäumchen wechseln?«
Er schnaubte. »Sagen Sie mir, ob Sie grundsätzlich bereit sind, mitzuspielen.«
Ich holte tief Luft. »Ich weiß doch überhaupt nicht, wobei. Aber … na schön, ich mach mit.«
»Einfach so?«
»Sagen wir, um mich nicht zu langweilen.«
Matzbach lächelte. »Das ist doch mal ein ordentlicher Grund. Gut; dann kommen wir zur Änderung, die nötig ist, um die Frage nach den Ärzten zu beantworten. Dazu müßten wir nämlich dies höfliche Siezen lassen.«
»Von mir aus. Müssen wir dazu anstoßen – Baltasar?«
»Müssen wir nicht – BoBo.«
»Okay. Erledigt. Also, was haben die Ärzte dir warum verboten?«
Er grinste. »Das geht dich einen feuchten Kehricht an.«
»Müssen wir uns duzen, damit du mir das sagen kannst?«
»Müssen wir. Ich bin im Grunde ein höflicher Mensch, und deshalb wäre es ungebührlich, ›das geht
Sie
einen Scheißdreck an‹ zu sagen.«
»Seh ich ein. Mehr Kaffee?«
»O bitte ja. Und leih mir doch mal dein Feuerzeug.«
Ich schob es ihm hin, und während ich Kaffee nachgoß, sah ich zu, wie er den Zigarillo anzündete, einen kleinen Mundvoll Rauch zu sich nahm, die Augen schloß und dann mit einem Seufzer den Rauch wieder ausstieß.
»Was willst du von Oswin?« sagte ich.
Er öffnete die Augen und blickte beinahe verklärt. »Im Moment nichts. Ich warte auf den Kick.«
»Junkie.«
»Sowieso.« Er sog abermals am Zigarillo. Dann blinzelte er heftig. »Gut. Besser. Also. Viel kann ich dir nicht sagen. Noch nicht. Ein alter Bekannter, der Oswin … na ja, er ist mit ihm verwandt; den genauen Grad der Verwandtschaft brauchen wir ja nicht, oder? Jedenfalls, er hat gehört, daß Oswin irgendwo gesehen worden sein soll. Angeblich hat er sogar mit jemandem aus den alten Kreisen Kontakt gehabt, ob zufällig oder gezielt, weiß ich nicht. Und da hat er mich gebeten, mich hier und da umzuschauen, ob ich mehr herausbekommen
Weitere Kostenlose Bücher