Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
finde-mich-sofort.de (German Edition)

finde-mich-sofort.de (German Edition)

Titel: finde-mich-sofort.de (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Meissner
Vom Netzwerk:
Internet auf den Single-Seiten auch Lügner, Betrüger sowie Männer und Frauen, die nur das Eine wollen, tummeln. Vor meiner Interneterfahrung dachte ich noch, ich würde über eine enorme Menschenkenntnis verfügen. Ich interessiere mich für Menschen, rede mit vielen, will ihre Geschichten hören.
    Bei einer Fernsehsendung auf TV -Berlin durfte ich Ende der Neunziger für zwei Jahre dieses Hobby zum Beruf machen. Ich »tobte« mit einem Kamerateam durch die U -Bahn Berlins und fragte wildfremde Leute aus. Unglaublich, was mir die Berliner und die Touristen so alles erzählt haben: von der Liebe, dem Leben, von Enttäuschungen, ihren Hobbys und Abgründen. Ich war ziemlich erstaunt, als mir ein junger Schwuler von seinen Schwierigkeiten berichtete, die er mit seinem Partner hatte, der gern auch andere Männer mit nach Hause brachte. Ein Lehrer, der gerade von der Tanzstunde kam, übte mit mir in der U-Bahn den Foxtrottschritt, Schauspieler zeigten Szenen des neuesten Stücks auf dem Bahnsteig, eine Klasse Schulkinder sang für mich das Lied »Männer sind Schweine«, eine Mittdreißigerin berichtete von ihrer Abneigung gegen »die Aufzucht von Kindern«, und ein Pfarrer, der gerade ein Buch über Frauen las, versuchte mir zu erklären, warum er das Leben im Zölibat so toll fände. Professoren, Familien, Obdachlose erzählten mir ihre ganz persönlichen, menschlichen Geschichten.
    Also, dachte ich, was kann mir passieren, nichts Männliches ist mir fremd. Auch geriet ich bisher im Netz nie an so richtige Ganoven und wunderte mich beim Lesen einer »Beschwerde-
Seite« im Web, auf der Frauen von Männern berichteten, die falsche Tatsachen vortäuschen oder eben mal mit einem Wohnwagen zum ersten Treffen vorfuhren. So was konnte mir nicht passieren, oder?
    Kurz vor meinem einundvierzigsten Geburtstag, im wunderschönen Monat April, erweiterte ich meine Auswahlkriterien in Sachen »Mann« um den Punkt »Ossi«. Vielleicht ist es ja wirklich so, dachte ich, dass die DDR -Vergangenheit eine gewisse Vertrautheit hervorruft und damit auch anderen Emotionen schneller den Weg ebnet. Ein Ossi versteht, wovon ich rede, wenn ich »Stern Meißen«, »Karat« oder »Frank Schöbel« sage, hat ähnliche Erinnerungen an die Zeit, als wir diese Musik hörten oder ablehnten. Er weiß, dass Mondos Kondome sind und GST keine Schweinerei ist, sondern die Möglichkeit des billigen Ablegens der Fahrerlaubnis bot, und dass MTS nicht nur »Mut, Tatendrang und Schönheit«, sondern auch »Maschinen-Traktoren-Station« bedeuten könnte. Ein Ossi hat – wie ich – in der Kindheit Orangen-Juice getrunken, ist ins Pionierferienlager gefahren, hat Altstoffe gesammelt, Wimpelketten für die X. Weltfestspiele gebastelt, Broiler gegessen und heimlich Westfernsehen geguckt. So was verbindet.
    Insgeheim erhoffte ich mir von einem Mann, der in der DDR großgeworden war, auch unkomplizierteren Sex. So irgendwie selbstverständlicher und unverklemmter. Ich wurde schon öfter dazu befragt, auch in der Super Illu vor einigen Jahren. Auch da bekannte ich: »Ja, der Osten liebte anders.« Aber warum? Ich erinnere mich, dass ich völlig unbedarft und unwissend mit meinem ersten Freund Sex hatte. Ich hatte keine Ahnung, wie man das macht und wie lange und wie oft.
    Von Prof. Kurt Starke, das ist quasi der »Oswalt Kolle des Ostens«, las ich zum Thema Ost- und Westfrauen 2007 in einer Zeitschrift: »Die Ostfrau redet nicht stundenlang über einen Orgasmus – sie lässt ihn einfach zu«.
    Konnte ich Ende der Siebziger nicht zulassen. Wie auch? Ich wusste nicht mal, dass es bei Frauen überhaupt einen Orgasmus gibt. Woher auch? Es gab kaum und wenn überhaupt nur wissenschaftliche Literatur über Sex. Wir kannten keine Sexshops, keine Swingerclubs, und von Cunnilingus, Oralsex und ähnlichem hatte ich noch nie gehört. In der Tageszeitung »Junge Welt« antwortete einmal wöchentlich, ich glaube immer mittwochs, die ostdeutsche Dr. Sommer, Frau Jutta Resch-Treuwerth, auf Fragen rund um die jugendliche Sexualität, aber auch da ging es ziemlich brav zu.
Eines Tages aber fand ich im Regal meiner Eltern Siegfried Schnabls Buch »Mann und Frau intim«. Ich staunte nicht schlecht, als ich den einzigen Satz zu diesem Thema las: »Frauen können einen Orgasmus bekommen.« Wirklich?
Wie geht das überhaupt? Ich ging zu meiner Mutter, die in der Küche bügelte, atmete einmal tief durch und fragte: »Mama? … Wie fühlt es sich an, wenn eine Frau einen Orgasmus

Weitere Kostenlose Bücher