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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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war zwar nicht die Hölle, aber dieser Ort hatte ganz sicher dieselbe Postleitzahl wie Luzifers Wohnstatt.
    »Jesus«, betete er zu seinem Kumpel, dem Heiland. »Jesus, willst du mich wirklich hier an diesem Ort haben? Diene ich dir am besten, wenn ich hierbleibe?«
    Hölderlein hoffte auf eine Stimme aus dem Off – irgendwo links hinter dem Andromedanebel und von jenseits der Milchstraße –, die zu ihm sagte: »Nee, Alter, fahr nach Hause.«
    Aber die Nacht blieb stumm.
    Also, bis auf die Geräusche aus dem Dschungel, das Kreischen der Affen, das Brüllen der Löwen, das Zirpen der Grillen und das markante Trommel-Solo im Zimmer seines schwarzen Amtsbruders (nicht der Amtsbruder trommelte, sondern Charlie Watts. Pfarrer Mwangi war ein eingefleischter Rolling-Stones-Fan).
    Vorhin, bei der Abendandacht, hatte Helmerich Hölderlein beim stillen Gebet einen der zehn peinlichsten Momente seines Lebens durchstehen müssen, wenn nicht gar
den
peinlichsten Moment. Genüge es zu sagen, dass die Hauptakteure dieses Zwischenfalls ein resignierender Mastdarm und eine entweichende Methangaswolke gewesen waren. Hätte einer der Andachtler ein Streichholz entzündet, sie wären allesamt in die Luft geflogen. Eine ältere Frau, die daraufhin verbissen die Luft angehalten hatte, war sogar in Ohnmacht gefallen.
    Und dabei hatte Hölderlein an diesem Tag nichts gegessen außer ein wenig Reis (trocken, ohne Beilage) und drei Stück Toastbrot (ohne Butter, aber mit kleingeschnittener Banane als Belag). Noch nie hatte sich ein stilles Gebet scheinbar so endlos hingezogen. Den Anwesenden war zum ersten Mal bewusstgeworden, was die Ewigkeit bedeutete und dass sie diese auf gar keinen Fall in der Hölle verbringen wollten, denn da würde es aller Wahrscheinlichkeit nach genauso schwefelig riechen wie in Gegenwart von Pfarrer Hölderlein, »der mit dem Flatulenzfluch«, wie sie ihn alle heimlich nannten.
    Pfarrer Hölderlein sollte es nie erfahren, aber ein 17 -jähriger, mehrfach vorbestrafter Gewalttäter, der zufällig bei diesem Gottesdienst zugegen war, weil er im Anschluss die Opferkästen hatte aufbrechen wollen, fand angesichts dieser höllischen Ausdünstungen und aus Angst, die Ewigkeit in solchen Dämpfen verbringen zu müssen, sofort zum rechten Weg zurück und führte fortan ein moralisch einwandfreies, gottgefälliges Leben. Allein für diese gerettete Seele hatte sich Helmerichs Afrikaaufenthalt also schon gelohnt. Jede Wette, dass sein Kumpel Jesus angesichts der Methanmissionsmethode fröhlich schmunzeln musste.
    Hölderlein ahnte davon, wie gesagt, nichts. Ihm war nur elend zumute. Natürlich war ihm bewusst, dass weder Afrika noch die Afrikaner Schuld an seinem Zustand hatten. Er war einfach nicht aus dem Holz geschnitzt, aus dem man als Missionar geschnitzt sein musste. Kein Tropenholz, nur Spannbrett.
    Er war kein Reisender. Eher der Stubenhockertyp, der idealerweise bei stets gleichbleibenden Umweltkonditionen über Predigttexten sinnierte. Er hatte sich mit diesem Auftrag definitiv übernommen.
    Hölderlein wollte wieder nach Hause zu seiner Irmgard und den Schäfchen seiner Gemeinde. In diesem seinem Begehren war er eins mit Schwester Mary und Schwester Ruth, die sich ihn ebenfalls wieder nach Hause ins ferne Deutschland wünschten. So fern, dass selbst starke Winde seine Ausdünstungen nicht zu ihnen tragen konnten …
    Die Frage war nur: Würde der Herr ein Einsehen haben und ihren Wunsch erfüllen?

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    Der Tag der Wahrheiten
    Aus dem Polizeibericht
    Doktorspiele
    Ein Autoknacker ist in der Zeit zwischen Montagabend 21 Uhr und Dienstagmorgen 9 Uhr in einen in der Alten Reifensteige abgestellten Porsche Cayenne eingedrungen. Der Unbekannte hatte eine Scheibe eingeschlagen und dann eine im Fußraum abgestellte Arzttasche entwendet, in der sich medizinische Notfallgeräte, Medikamente und Verbandszeug befanden. Der Täter kann sich nunmehr auf Doktorspiele mit professionellen Utensilien freuen. Wie hoch der entstandene Schaden ist, muss noch geklärt werden.
    Wenn die Wellen über mir zusammenschlagen, tauche ich hinab, nach Perlen zu fischen. (Mascha Kaléko)
    Olaf betrachtete seine schlafende Frau.
    Susanne war wunderschön. Er liebte sie für unzählig viele Dinge: für ihre Durchsetzungskraft, die sie mit jeder Pore ausströmte, wenn sie in ihrem Chanel-Kostüm aus der Vorstandsetage der Bausparkasse nach Hause kam; für ihre Sicherheit in den Alltagsfragen des Lebens; für ihr Lachen; ihre Adlernase;

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